Direkt zum Hauptbereich

ESC-Liedtextkritik 2014: Backe, backe, Kuchen - Lettland

Seit gefühlten Jahrhunderten sehe ich mir vor der Finalshow die Eurovision-Songtexte an, übersetze sie und stelle ein paar davon vor.

Ein neues Jahr, ein neuer Songcontest. Immer das Gleiche, ja, aber das Gleiche immer anders. Für den Textkritik-Start brauche ich aus Motivationsgründen dieses Mal einen sogenannten "Gute-Laune-Song", und gleich der erste Griff ins ... Archiv der ESC-Homepage bringt mir erfolgreich einen solchen. "Cake to Bake" aus Lettland, oder einfach "Backe, backe, Kuchen".

Bevor wir zum Refrain vorstoßen, der alles weitere Nachdenken auslöscht, gibt es interessante Strophen. Man muss sie sich vorher ganz nüchtern angucken, das Video lenkt zu sehr ab.

"Ich hab das Eis der Polarkappen geschmolzen,
hab die Jäger des verlorenen Schatzes gefunden,
einen Fall für das Genie aus der Baker-Street gelöst,
geholfen, den Central Park zu säubern.
Hab einen Plan für die chinesische Mauer gemacht,
ging in die Wüste, ließ es regnen,
hab einen blutigen Haitank durchschwommen,
fand Atlantis, nebenbei (Aber heute)."

Klingt alles erst einmal beeindruckend, aber es sind nur sehr beschönigende Schilderungen für eigentlich so banale Untätigkeiten. Es bedeutet im Grunde nur: Ich hab rumgesessen und Filme geguckt, Indiana Jonas, James Bond, Sherlock Holmes, die ganze Riege. Vielleicht auch ein bisschen gedaddelt, am Computer. Es heißt nicht mehr, als sich erfolgreich (mit klimaerwärmender Unterhaltungselektronik) abgelenkt zu haben von der wichtigen Aufgabe, die "die sogenannte" Realität zu lösen fordert: Einen Kuchen zu backen.

"Ich soll 'nen Kuchen backen, keine Ahnung, wie das geht 
(Backe, backe, backe, backe einen Kuchen).
Ich soll 'nen Kuchen backen - und hab' das nie gemacht 
(Backe, backe, back, backe einen Kuchen).
Sei nicht zu stolz, Kumpel, zögere nicht
und frag deine Mutter, wie es geht.
Wie man backt, wie man backt, einen Kuchen backt."

So weit ist es mir den jungen Erwachsenen also gekommen. Können nichts praktisches mehr, wegen der medialen Reizüberflutung natürlich. Man muss die Zivilisation von ganz unten wieder aufbauen, sich an die Realität trauen - einen Kuchen backen für die Freunde. So richtig Bock auf Backen kann der Sänger dann aber doch nicht haben, die konkrete Zubereitung macht er sich sehr einfach.

"Nimm etwas Teig, dazu etwas Liebe, ab in den Ofen und warten." Ob das wirklich schmeckt, darf bezweifelt werden. Aber die Geste zählt, das gilt auch für Ü30-Kinder, die nichts auf die Reihe kriegen.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heiligabend mit den Brauseboys

Was ich mache, wenn ich nicht den Newsletter schreibe 1.) Eine Strichliste anlegen, wie oft ich das Wort Blitzeis im Radio höre. Überlegen, wie ich mit den Varianten "Blitzendes Eis", "Blitzkrieg", "Blitzer" und "geblitzt wird" umgehen soll. 2.) Pfefferkörner kaufen und in die Pfeffermühle bis zum Rand einkullern lassen, dann eine Brötchenhälfte mit Kassler und Käse belegen und mit Pfefferschrot schwärzen. Mich am frischen Duft der zerrissenen Splitter berauschen. 3.) Aus dem Fenster sehen. Auf der verbliebenen Schneedecke im Hof ist ein Vogel herumgelaufen, offenbar von schwerer innerer Verwirrung betroffen hat er stundenlang in vielfältigen Kreisen sein verstörendes Schneegemälde gemalt. 4.) Zeitung lesen und über Kopenhagen informieren. Der sudanesische Sprecher und "Bremser" heißt Lumumba Stanislaus Di-Aping. Die Ladezeit der Facebook-Fanseite von Thorsten Schäfer-Gümbel ist enorm. Er sagt: "Dem Schneckentempo

Sarah Bosetti

Las bei uns ihre Texte vor, filmt aber auch sehenswert .

Brauseboys Live + Stream am 24.2. (20 Uhr, 2G) im Slaughterhouse: Mit Felix Jentsch

Russisches Roulett (von Frank Sorge) Ralle: Dit is' Ding, wa? Mit die Ukraine? Dieter: Wat ham die denn für ne Inzidenz? Ralle: Nich Corona, Dieter, Invasion. Dieter: Jibts ne neue Mutante? Ralle: Alte Mutante, Sowjet-Style. Dieter: Und jetzt ham die mehr Medaillen, oder wat? Ralle: Nich Olympia, Dieter, die Russen. Dieter: Ja, die hatten die meisten, oder? Ralle: Nee, dit war früher mal, die warn jarnich dabei, also doch, aber nich als Russland. Dieter: Ach, jenau, wegen Doping. Wie hieß do' gleich der chinesische Jesundheitsminister? Ralle: Janz olle Kamelle, Dieter. Minister ham die ooch, gloob ick, janich mehr, macht allet Putin. Dieter: Der kann Karate, wa? Ralle: Judo. Dieter: Und wat sacht der jetzt? Ralle: Versteh ick nich, aber wat er macht, sieht man ja. Panzer, Soldaten, Raketen, die janze Grenze lang een Uffmarsch. Een abjekartetet Spiel, sag ick dir. Dieter: Ick kenn nur Russisch Roulett. Ralle: Jenau, so ähnlich kommt mir dit vor, nur mit alle Patronen drin. Sag