Direkt zum Hauptbereich

Eurovision Songtext-Kritik 5: Kroatien


In Vorbereitung auf den Eurovision Song Contest, den man am Besten gemeinsam mit der Lesebühne "Lesershow Wedding" gucken sollte, poste ich hier täglich Songtext-Kritiken bis zum Samstag.

Kroatien - Der Nukleus der Liebe

Deutlich nüchterner als bei den Griechen reagieren die Kroaten auf schwierige Zeiten. Sich einfach die Birne zukippen, das führt ja zu nichts. Damit bekommt man keine rum. Das muss man schon geschickter anstellen, sechs ordentliche, kroatische Männer in Frack geben hier in ihrem Lied “Elend”, "Leid" oder "Misere" Nachhilfe. Aus Sicherheitsgründen singen sie den Text in der Landessprache, denn er ist eine Kitschbombe, wie ihn die Welt noch nicht gehört hat. Er kann potentiell bei jeder weiblichen Person, die ihn versteht, eigentlich bei jedem, der sich angesprochen fühlt, eine unmittelbare Kernschmelze auslösen. Also Vorsicht, auch bei dieser Übersetzung:

Ich habe kein Gold,
um deine schöne Form zu verehren.
Nur diese meinen beiden Arme,
um dich zu halten und dir Wärme zu geben.

Oh, diese harten Zeiten sind steinig und rau, heute.
Oh, diese harten Zeiten. Der Wein hat aufgehört zu fließen.
Ich habe nur eines, in das ich vertraue:
ein gläubiges Herz aus purer Liebe.

Wer jetzt schon schaudert und leichte Tränen der Verzückung in den Augenwinkeln spürt, sollte die folgende, zweite Strophe unbedingt meiden. Einfach weglassen, überblättern, weghören, und in sicherem Abstand tief durchatmen.

Oh, du, meine liebliche Rose,
mein ganzes Leben werde ich für dich sorgen,
und meinen letzten Brotkanten,
werde ich glücklich mit dir teilen.

Mehr als zwei Strophen gibt es leider nicht, der Refrain über die rauen Zeiten wird dafür ein paar Mal mehr wiederholt. Noch ein oder zwei solcher Strophen würde das Lied allerdings zur ultimativen romantischen Allzweckwaffe machen. In einer gigantischen Staubwolke in Herzform würden wir alle verbrennen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer schwer

Brauseboys am 4.7. (20 Uhr) mit Ahne und dem Kreuzmusik-Duo

Zeitstrudel (von Frank Sorge)   Auch im Wedding merkt man, dass die Ferienzeit beginnt. Überall ortsfremde junge Menschen mit Reiserucksäcken, in der Liebenwalder am Hostel heute ein ständiger Strom von Abiturientinnen und Abiturienten aus anderen Bundesländern. Der traditionelle Berlinbesuch zum Schulabschluss, er besteht offenkundig fort.  Als ich spät noch zwei Bier vom Späti hole, kommen sie mir auf dem Rückweg entgegen. Erst gucken sie mich verstohlen an, den wirren Streuner mit den zwei Bierflaschen, vor den leuchtenden Fenstern von Falafelladen und Casino, dann sehen sie hinter mir die kleine Spätkauf-Arena, die sich vor dem Laden draußen um den Fernseher gebildet hat. Denn es ist EM und ein Türkei-Spiel, und wenn es der Öffentlich-Rechtliche Fernsehfunk nicht zeigt, dann macht es der Spätkauf und kein Anwohner und kein Ordnungsamt löst die Arena auf, Ehrensache! Aber es ist lustig, wie die Augen der jungen Berlinbesucher aufgerissen sind. Als würden sie dahinter denken: Was hi

Brauseboys am 20.6. (20 Uhr) mit Tilman Birr & Yunas im Haus der Sinne

Isla del Balkonia (von Frank Sorge)   Was soll ich auf der Alm, im Diesel-Traktorqualm? Was zieht dich noch nach Sylt, der braune Strand? Dass man im Wedding besser chillt, liegt wohl auf der Hand.   Überhaupt in der Natur, störst du im Zweifel nur. Zertrampelst Käfer auf Waldwegen, scheuchst Rehe ins Gebüsch, bist jedem Mückenschwarm erlegen auf der Jagd nach fremden Fisch.   Ich häng heute lieber schlapp auf Isla del Balkonia ab. Im Schatten der Hängegeranien, mit Windrad, Hanfblüte und Grill, ein Buch über Transsylvanien, und mittags schon ein Promille. ­ Brauseboys am Donnerstag, 20.6. (20 Uhr) mit Tilman Birr & Yunas   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Oleole, das Lesebühnenfieber hält an! Die emotionalsten Texte, die schnellsten Pointenjäger, jede Begegnung ein Knüller, Public Hearings, sympathische Mannschaften, ein Sommerliteraturmärchen! Wir haben sportliche, neue Texte geschrieben und beabsichtigen, diese in der Euphoriekurve des Stadions Haus der Sinne ordentlich zu sk