Direkt zum Hauptbereich

Eurovision Songtext-Kritik 2: Niederlande

In Vorbereitung auf den Eurovision Song Contest, den man am Besten gemeinsam mit der Lesebühne "Lesershow Wedding" gucken sollte, poste ich hier täglich eine Songtext-Kritik bis zum Samstag.

Niederlande - die Rückkehr der Maya

Lange hätte die Sängern Anouk auf das richtig Lied für den Eurovision Song Contest gewartet, jetzt meint sie offenbar, sie hätte es gefunden. Langsam und gefühlvoll beginnt der Song, mal sehen, welche schöne Stimmung sie für ihren Beitrag inhaltlich gewählt hat:

Isoliert von der Außenwelt,
Wolken haben alles Licht geschluckt.
Ich habe keine Kontrolle mehr, es scheint,
meine Gedanken irren nur noch umher,
wenn ich ohne dich zu leben versuche.

Ja, das könnte die richtige Stimmung für einen ESC-Gewinn sein. Einsamkeit, Dunkelheit, Selbstmordtendenzen. Das ist vielversprechend, da fühlt man sich als Europäer bei einem liebgewonnenen Grundgefühl gepackt, und schunkelt versonnen mit. Da öffnet sich das Herz, wenn auch nur, um gleich darauf stehenzubleiben. Denn der Refrain ist ein echter Knaller. Nostradamus wälzt sich im Grab und pfeift die schöne Melodie mit, und die Maya hören es von der dunklen Seite des Mondes, auf die sie sich vor Jahrhunderten in Pyramidenraumschiffen zurückgezogen haben, und sie satteln die Pferde, um die Erde mit dem Weltuntergang zu überziehen, den sie verdient hat. Zuckersüß singt sie:

Vögel fallen von den Dächern,
aus dem Himmel wie Regentropfen.
Keine Luft mehr, kein Stolz,
Vögel.

Ein wunderschönes Bild des Untergangs, das so oft wiederholt wird, dass man den wenigen Rest dabei ganz überhört. Vielleicht ist ein Liebeslied, und etwas ganz persönliches, aber das einzige, was bleibt, wird dieses sein:

Vögel fallen von den Dächern,
aus dem Himmel wie Regentropfen.

Den Rest kann man sich denken, wie sich die Vögel auf den Straßen langsam stapeln, wie die Kadaver verrotten, die Seuchen kommen, die Geier kreisen, die Wölfe heulen, die Kinder schreien, die Ratten nagen, die Zombies schwanken und sich das Höllentor öffnet.

Vögel fallen von den Dächern,
aus dem Himmel wie Regentropfen.

Und wie Regentropfen fallen uns die Freudentränen aus den Gesichtern, endlich, das Lied vom großen Untergang ist da. Das eindeutigste Zeichen, dass unser Ende wirklich nahe ist, wäre, dass dieses Lied den Eurovision gewinnt. Ich glaube allerdings, wir können in Malmö noch ganz beruhigt sein. Der Kanarienvogel wird noch nicht von der Stange fallen - nicht die Welt, sondern dieses Lied wird gnadenlos untergehen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heiligabend mit den Brauseboys

Was ich mache, wenn ich nicht den Newsletter schreibe 1.) Eine Strichliste anlegen, wie oft ich das Wort Blitzeis im Radio höre. Überlegen, wie ich mit den Varianten "Blitzendes Eis", "Blitzkrieg", "Blitzer" und "geblitzt wird" umgehen soll. 2.) Pfefferkörner kaufen und in die Pfeffermühle bis zum Rand einkullern lassen, dann eine Brötchenhälfte mit Kassler und Käse belegen und mit Pfefferschrot schwärzen. Mich am frischen Duft der zerrissenen Splitter berauschen. 3.) Aus dem Fenster sehen. Auf der verbliebenen Schneedecke im Hof ist ein Vogel herumgelaufen, offenbar von schwerer innerer Verwirrung betroffen hat er stundenlang in vielfältigen Kreisen sein verstörendes Schneegemälde gemalt. 4.) Zeitung lesen und über Kopenhagen informieren. Der sudanesische Sprecher und "Bremser" heißt Lumumba Stanislaus Di-Aping. Die Ladezeit der Facebook-Fanseite von Thorsten Schäfer-Gümbel ist enorm. Er sagt: "Dem Schneckentempo

Brauseboys am 2.5. (20 Uhr) nebenan im REH mit Isobel Markus, Christoph Theußl und Hinark Husen

Kartenhaus (von Frank Sorge) Wenn man ein Kartenhaus baut, rechnet man ständig damit, dass es zusammenfällt. Es ist das Ziel der Beschäftigung, den unvermeidlichen Zusammensturz hinauszuzögern. Die Struktur des Kartenhauses ist nur die Visualisierung des Erfolges, je mehr Etagen es bekommt, je länger es hält. Zeit, Geduld und Geschick bekommen ein Muster, ein flüchtiges Gewebe, obwohl sie ja sonst so unfassbar sind. Dann macht jemand ein Fenster auf und es fällt zusammen. Ärgert man sich? Ja, weil es menschlich ist, und nein, weil man mit nichts anderem gerechnet hat. Warum mir das einfällt? Ach, einfach nur so, kein Bezug zur Gegenwart. Nein, ehrlich, oder seht ihr einen? Kartenhäuser baut man, um Zeit totzuschlagen, heute hat man die doch gar nicht mehr. Heute ist man erwachsen und baut andere Strukturen, mit anderen Zwecken, als dass sie zusammenfallen. Was mit Grundlage und Substanz, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse. Also ist es kein Problem, bei diesem Wetter überall die

Brauseboys am 9.5. (20 Uhr) mit Mimi Wohlleben im Haus der Sinne

Fern (von Frank Sorge) Was tut am Fern so weh? Wenn ich meinen Wedding seh, dann ham wir doch alles  und keinen Mangel im Speziellen.   Solang uns die BVG nicht im Stich lässt, erreicht man noch den ganzen Rest des Planeten zu jeder Tageszeit.   Ja, so jubeln die Stadtteilpoeten. Es ist immer ne Kneipe offen und ein Späti im Morgengrauen.   Türkische Backwaren warm aus dem Ofen, Fische aus fremden Ozeanen, Importmärkte aller Couleur.   Hier ist so viel Ferne,  die gibt’s woanders gar nicht. Wo kann es dich hinziehn, als immer nach Berlin? ­ Brauseboys am Donnerstag, 9.5. (20 Uhr) mit Mimi Wohlleben   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Ein wenig Sommergefühl tut unserer Stadt immer gut, aber die Phasen der Abkühlung sind auch wichtig. Da es absehbar weniger kühle Tage im Jahr werden, steigt sogar deren Bedeutung zur Erholung für Körper und Geist. Idealerweise sind derlei Tage mit einer inspirierenden Kulturveranstaltung gekrönt, die mit innerer Wärme ausgleicht, und was sollen wir sage