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Eurovision-Songtextkritik: Australien

Australien - Heute Nacht nochmal

Eine wichtige Neuerung in diesem Jahr ist die Aufnahme Australiens in den Kreis der trällernden Europäer. Der Teilnehmerkreis ist schon etwas weiter gefasst als das politisch-geographische Europa, manch einer mag aber denken: Australien, das geht zu weit. Oder: Australien, das ist zu weit. Warum also dürfen die dann teilnehmen? Die Antwort ist einfach: Weil sie es doch so gerne wollen. Viele Fans down under schauen den Eurovision, nicht nur wegen der eigenen europäischen Vorfahren. Man muss über Australier wissen: Sie lassen nie eine Gelegenheit zum feiern aus - im Gegenteil, sie konstruieren gerne und ausufernd Gelegenheiten zum feiern, damit es immer eine Gelegenheit zum feiern gibt. So zeltete ich einmal Mitte Juni am Ayers Rock neben einer australischen Jugendgruppe. Am 24.6. feierten sie in der Wüste “Christmas in Summer”, mit Weihnachtsmann, bunten Schirmen in Getränken, Tanz und Gaudi. Ich fragte einen der Betreuer, was es damit auf sich habe. Die Antwort: Wir Australier feiern einfach gerne und das ist doch eine gute Gelegenheit, dass in genau sechs Monaten Weihnachten ist. “Aber dann kann man doch immer Weihnachten feiern?”, wand ich ein. “Ja, genau”, war die lächelnde Antwort.
Immerhin, die Teilnahme ist eher symbolisch, man kann für den australischen Beitrag nicht abstimmen.* Es gibt dafür aber sowieso keinen Grund. Nicht, dass er ‘unterirdisch’ wäre, er glänzt eher damit nicht, dass nichts an ihm besonders ist. Für einen besonderen Anlass also nicht besonders genug. Textlich ist der Beitrag ein klassischer Vertreter der Liedspezies “Fuck me one more time” - worum es geht? Genau, man will nochmal.

Ich will kein morgen,
oh Baby, heute Nacht ist so gut.
Heute Nacht ist so gut.
Wir können es nicht verhindern,
oh Baby, heute Nacht ist so gut.
Vergiss morgen,
wir machen heute Nacht nochmal.

Ich würde dem Liedsänger auch dazu raten, macht's doch einfach nochmal, macht was ihr wollt. Aber warum darüber singen?

Oh, alle haben so ihre Probleme,
haben immer den Kopf voll damit,
oh, aber heute Nacht lösen wir sie nicht,
jetzt lassen wir sie mal alle hinter uns.

Gerade will man noch einmal betonen: Ja, Mann, ihr könnt doch machen, was ihr wollt. Aber dann fällt es ihnen selbst auf:

Mach wat’de wat’de wat’de willst
Mach wat’de wat’de wat’de willst
Mach wat’de wat’de wat’de willst
Nu mach schon,
oh ja, mach.


Australien gilt nicht unbedingt als Hort von Intellekt und Kontemplation, so unverhohlener Hedonismus braucht aber auch hier noch eine Rechtfertigung.

Oh, manche Leute könnten das verrückt nennen
und sagen, wir leben nur für den Spaß.
Oh, sie könnten Recht haben, möglicherweise,
aber ich garantiere dir: was wir haben, ist, was sie wollen.

Sex, okay, aber dieses Lied, das wollen wir nicht, das könnt ihr behalten.

*Nachtrag: Mein letzter Stand war, dass für Australien nicht abgestimmt werden kann. Ist aber offenbar doch anders, nur der nächste Austragungsort wäre dann nicht in Australien. Aber keine Gefahr.

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