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Eurovision-Songtextkritik 2015: Ungarn

Ungarn - Kriege für nichts

Bei “Ein bisschen Frieden” damals, da ging das noch mit den politischen Aussagen. In den Achtzigern hat man auf Friedenslieder noch gehört. Eine Frau, eine Gitarre, eine Botschaft. Den ungarischen Beitrag in diesem Jahr singt eine Frau, begleitet von einer Gitarre, vielleicht ist die Zeit wieder reif. Im Verlauf des offiziellen Videos singen nach und nach irgendwelche Leute auf der Straße mit, bis sie am Schluss alle in Eintracht das Friedenslied “Kriege für nichts” schmettern:

Weißt du, dass unsere Erde vor die Hunde geht,
all die Kriege für nichts, es hört nie auf.
Jeder verdient eine Chance,
all die Seelen, all die Seelen, kannst du sie schreien hören?

Das ist harter Tobak für das Wohlstandsohr, schreiende Seelen der Verdammten. Jahrelang hat man sich durch Ablenkungen bunte Ohrstöpsel zugelegt gegen derlei Klagen, und die Sängerin Boggie versucht, sie zu durchstoßen.

Dass du in Frieden lebst, heißt nicht,
dass es in Ordnung ist, all den Schmerz zu ignorieren.
Ich sehe Kinder zu den Sternen gehen,
Soldaten laufen in die Dunkelheit, lass mich fragen:

Kannst du all diese Augen rechtfertigen,
die nie wieder Tageslicht sehen.
Nenn' mir einen guten Grund, eine hilflose Seele
zu verletzen, ein Herz zu brechen, einen Verstand auszulöschen.


Ich schaue an dieser Stelle mal, was nach dem ungarischen Beitrag im Halbfinale kommt… ach ja, Weißrussland, lustig - das ist so ein Sänger mit angeschmiedeten Elbenohren der seine Co-Sängerin durch die gemeinsame Leidenschaft für den Herrn der Ringe kennengelernt hat. Was für ein Ding! Da mag man ein Buch mit lustigen Fabelwesen, die Filme sicher auch, und dann trifft man jemanden, der das auch gut findet. Toll, oder? Was noch mit dem ungarischen Beitrag war? Ach, der, weiß nicht, war irgendwas Trauriges. Aber hier, “die Zeit ist wie ein Donner, a-a, höre ihren Donner, a-a, grollend wie ein Donner, a-a”, das ist doch schmissig. Beim ungarischen Beitrag sollte man vorher vielleicht schnell noch auf die Toilette gehen, damit man das danach nicht verpasst. Bestimmt zeigen sie da auch Zwerge und sowas auf der Leinwand. Wie das Friedenslied endet? Ist doch egal. Will euch doch nicht die Laune verderben. Traurig natürlich:

Weißt du, wie viele Unschuldige
sich vor Bestrafungen verstecken?
Für Verbrechen, die sie nicht begangen haben.
Allein, sie sind allein, verdienen sie

zu sterben, weil sie etwas anderes glauben?
Weil sie ein Gesicht haben, das irgendwem nicht gefällt?

Verlassen wir an dieser Stelle den ungarischen Beitrag und setzen uns dafür ein, als Industrienation bessere Waffen zu verkaufen, damit die Welt friedlicher wird. Das erscheint mir ganz logisch, denn Kriege werden ja nicht für nichts geführt. Sondern fürs Geschäft. Im Grunde das Gleiche wie mit dem Singen. Man muss so ein Lied ja auch verkaufen. Das hat sie wohl nicht ganz verstanden, das sollte man dieser Sängerin mal genauer erklären.

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