Direkt zum Hauptbereich

Eurovision-Songtextkritik: Norwegen

Norwegen - Ein Monster wie ich

Man weiß ja, worauf man sich mit dem Eurovision einlässt. Etiketten wie “Gnadenloser Trash” kommen ja nicht von irgendwoher. Es gibt peinliche Auftritte, es gibt schamlosen Schwachsinn und sicher liegt man nicht falsch, wenn man genau hier den Unterhaltungswert vermutet. Immer wieder ist ein Beitrag aber auch so bekloppt, dass er in keine Schublade der Glitterkommode passt. Dieses Mal kommt er von den Norwegern. Ein Duett im Pärchen, er erzählt, was los ist:

Liebling, ich erzähle dir die Wahrheit,
ich habe in meiner Jugend etwas Schreckliches getan.
Hab den Verstand verloren, die Kontrolle verloren.
Ich war nur ein kleiner Junge, ich wusste noch nichts,
ich lasse dich lieber gehen…

Wie genau kann man auf die Idee kommen, das Bekenntnis zu einer vermutlich grauenhaften Tat zum Liedthema zu machen? Damit man sich dabei auch bloß nichts konkret Schreckliches vorstellt, sondern die Phantasie des Schreckens voll entfalten kann, erzählt er natürlich nicht, was genau passiert ist.

Um den Prinzen zu finden, den du in mir vermutet hast,
gebe ich dich frei und gebe dich auf.
Winke dir, sage Adieu und lass dich leben,
ohne ein Monster wie mich.


Zu diesen merkwürdigen Zeilen sieht man den Sänger Kejtil Mørland unbewegt in die Kamera starren, passenderweise mit der Wirkung eines Pychopathen. Aber nicht nur die Mimik der Darstellung, auch der Text des Liedes ist damit schon erschöpft, was den Eindruck völliger Verstrahlung der Verantwortlichen verstärkt. Ganz kurz darf sich die Duettpartnerin noch zu Wort melden:

Liebling, 
jetzt habe ich den Deckel dieser grauenhaften Wahrheit gelüftet,
halt mich fest, denn ich verbrenne.
Sing mir etwas Schönes, mach, dass es aufhört,
ich lasse dich besser gehen.

‘Sing mir etwas Schönes’, das ist doch mal ein Wunsch, der sich leicht hätte erfüllen lassen. Man bräuchte nur einfach ein schönes Lied. Zu schade, dass gerade keins in Norwegen vorrätig war.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heiligabend mit den Brauseboys

Was ich mache, wenn ich nicht den Newsletter schreibe 1.) Eine Strichliste anlegen, wie oft ich das Wort Blitzeis im Radio höre. Überlegen, wie ich mit den Varianten "Blitzendes Eis", "Blitzkrieg", "Blitzer" und "geblitzt wird" umgehen soll. 2.) Pfefferkörner kaufen und in die Pfeffermühle bis zum Rand einkullern lassen, dann eine Brötchenhälfte mit Kassler und Käse belegen und mit Pfefferschrot schwärzen. Mich am frischen Duft der zerrissenen Splitter berauschen. 3.) Aus dem Fenster sehen. Auf der verbliebenen Schneedecke im Hof ist ein Vogel herumgelaufen, offenbar von schwerer innerer Verwirrung betroffen hat er stundenlang in vielfältigen Kreisen sein verstörendes Schneegemälde gemalt. 4.) Zeitung lesen und über Kopenhagen informieren. Der sudanesische Sprecher und "Bremser" heißt Lumumba Stanislaus Di-Aping. Die Ladezeit der Facebook-Fanseite von Thorsten Schäfer-Gümbel ist enorm. Er sagt: "Dem Schneckentempo

Brauseboys am 2.5. (20 Uhr) nebenan im REH mit Isobel Markus, Christoph Theußl und Hinark Husen

Kartenhaus (von Frank Sorge) Wenn man ein Kartenhaus baut, rechnet man ständig damit, dass es zusammenfällt. Es ist das Ziel der Beschäftigung, den unvermeidlichen Zusammensturz hinauszuzögern. Die Struktur des Kartenhauses ist nur die Visualisierung des Erfolges, je mehr Etagen es bekommt, je länger es hält. Zeit, Geduld und Geschick bekommen ein Muster, ein flüchtiges Gewebe, obwohl sie ja sonst so unfassbar sind. Dann macht jemand ein Fenster auf und es fällt zusammen. Ärgert man sich? Ja, weil es menschlich ist, und nein, weil man mit nichts anderem gerechnet hat. Warum mir das einfällt? Ach, einfach nur so, kein Bezug zur Gegenwart. Nein, ehrlich, oder seht ihr einen? Kartenhäuser baut man, um Zeit totzuschlagen, heute hat man die doch gar nicht mehr. Heute ist man erwachsen und baut andere Strukturen, mit anderen Zwecken, als dass sie zusammenfallen. Was mit Grundlage und Substanz, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse. Also ist es kein Problem, bei diesem Wetter überall die

Brauseboys am 9.5. (20 Uhr) mit Mimi Wohlleben im Haus der Sinne

Fern (von Frank Sorge) Was tut am Fern so weh? Wenn ich meinen Wedding seh, dann ham wir doch alles  und keinen Mangel im Speziellen.   Solang uns die BVG nicht im Stich lässt, erreicht man noch den ganzen Rest des Planeten zu jeder Tageszeit.   Ja, so jubeln die Stadtteilpoeten. Es ist immer ne Kneipe offen und ein Späti im Morgengrauen.   Türkische Backwaren warm aus dem Ofen, Fische aus fremden Ozeanen, Importmärkte aller Couleur.   Hier ist so viel Ferne,  die gibt’s woanders gar nicht. Wo kann es dich hinziehn, als immer nach Berlin? ­ Brauseboys am Donnerstag, 9.5. (20 Uhr) mit Mimi Wohlleben   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Ein wenig Sommergefühl tut unserer Stadt immer gut, aber die Phasen der Abkühlung sind auch wichtig. Da es absehbar weniger kühle Tage im Jahr werden, steigt sogar deren Bedeutung zur Erholung für Körper und Geist. Idealerweise sind derlei Tage mit einer inspirierenden Kulturveranstaltung gekrönt, die mit innerer Wärme ausgleicht, und was sollen wir sage