Direkt zum Hauptbereich

Lost in Wedding (Brauseboys am 11.3.)

Die Jugendgruppe auf dem Leopoldplatz ist verloren. Sie sind vielleicht vierzehn und ohne Lehrer oder sonstige Begleitung, sie rauchen. Sie kennen den Weg nicht mehr. "Können Sie mir sagen, wo hier das Jugendgästehaus ist?", fragt mich einer und ich zeige ungefähr in die Richtung. "Da hinter dem Rathaus, ihr könnt auch da mitten durch und dann noch geradeaus weiter, und dann..." Der Straßenname fällt mir nicht ein, ihnen auch nicht, sie werden schon dieses meinen. "Weddern, Wadde, irgendwie so", sagen sie. "Wedding?", frage ich, aber da drängelt sich ein wirrer Bettler in unsere Mitte und fragt nach Kleingeld, bei uns ist nichts zu holen.  "Ich bring euch hin, liegt fast auf meinem Weg." Wir überqueren die Müllerstraße, ich vorneweg und zehn Küken aus dem Emsland hinterher. Die Wölfe auf dem Leopoldplatz heulen.
Sie sind gestern erst angekommen, erzählt mir einer, sie wären auf Klassenfahrt und hätten jetzt irgendwie die Orientierung verloren. "Und wie gefällts euch?" "Naja, ich find das ja nicht so schön, dass hier so viele Bettler sind." "Der Wedding ist halt keine reiche Gegend", sage ich und schaue nach links zur Beuth-Hochschule und nach rechts auf die Altbauten am Zeppelinplatz. Auch Quatsch irgendwie. "Kommen Sie vom Sport?", fragt mich ein Junge und schaut auf meine Sporttasche, "vom Fußball?" "Vom Yoga", sage ich. Und dann irgendwie entschuldigend: "Ist auch anstrengend, aber anders." Er nickt. Wir biegen in die Straße zum Jugendgästehaus ein und plötzlich großes Wiedererkennen. "Ja, hier ist es richtig." "Na dann ist ja alles gut, habt eine schöne Woche", verabschiede ich mich. "Sie auch", rufen sie, "Danke schön" und "Sie sind der Beste."
Das hört man ja gern und ich schreite zufrieden voran nach Hause. Gut, wenn man mal rausgeht, auch auf die Gefahr verloren zu gehen. Abnehmende Erleuchtung am Himmel.

~#~#~#~#~#~#~#~#
Donnerstag, 11.3. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)

BRAUSEBOYS

Neue Texte, Musik und Multimedia mit Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann & Heiko Werning.

Gäste:
Sarah Bosetti (Filmt und schreibt)
http://sarahbosetti.com/

Martingo (Singt und spielt)
http://martingo.com

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer sc...

Heiligabend mit den Brauseboys

Was ich mache, wenn ich nicht den Newsletter schreibe 1.) Eine Strichliste anlegen, wie oft ich das Wort Blitzeis im Radio höre. Überlegen, wie ich mit den Varianten "Blitzendes Eis", "Blitzkrieg", "Blitzer" und "geblitzt wird" umgehen soll. 2.) Pfefferkörner kaufen und in die Pfeffermühle bis zum Rand einkullern lassen, dann eine Brötchenhälfte mit Kassler und Käse belegen und mit Pfefferschrot schwärzen. Mich am frischen Duft der zerrissenen Splitter berauschen. 3.) Aus dem Fenster sehen. Auf der verbliebenen Schneedecke im Hof ist ein Vogel herumgelaufen, offenbar von schwerer innerer Verwirrung betroffen hat er stundenlang in vielfältigen Kreisen sein verstörendes Schneegemälde gemalt. 4.) Zeitung lesen und über Kopenhagen informieren. Der sudanesische Sprecher und "Bremser" heißt Lumumba Stanislaus Di-Aping. Die Ladezeit der Facebook-Fanseite von Thorsten Schäfer-Gümbel ist enorm. Er sagt: "Dem Schneckentempo...

Brauseboys am 3.10. (20 Uhr) mit Michael Bittner und Ivo Smolak

Ungewöhnlich (von Frank Sorge)   Fast 2 Uhr nachts, beim Steuerberater im Hinterhaus brennt noch Licht. Ungewöhnlich, so spät nach Feierabend, aber ich denke, ich weiß warum. Irgendwann muss ja ein Steuerberater auch mal seine eigene Steuererklärung machen. Brauseboys am Donnerstag, 3.10. (20 Uhr) mit Michael Bittner und Ivo Smolak   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Es ist Tag der Einheit, es wird also ein wenig feierlicher am Donnerstag bei uns zugehen. Vielleicht machen wir mal eine Kerze an, oder eine mehr, als ohnehin immer an sind. Übertreiben muss man es mit dem Feiern nicht, zumal wenn man sich gar nicht so einig ist im Moment. Da wächst man drei Jahrzehnte zusammen und dann sowas, das muss die nächsten drei Jahrzehnte aber besser werden. Dann lassen wir auch wieder die Sektkorken knallen, wie damals an der Sektorengrenze, versprochen! Bis dahin müssen wir uns leider erstmal herbstlich einstimmen, also frieren, schaudern, sorgenvoll auf den Winter schauen. Oder ...