Gestern hatte ich noch über die Geschichte mit dem Weisheitszahn gelacht und heute schwillt mir schon ein Buckel auf der Backe, Entzündung im Kiefer, eindeutig. Meine Gesichtssymmetrie ist völlig dahin und in Ermangelung anderer Kühlmittel muss ich mir eine kalte Bierflasche ans Gesicht halten. Für den Montag vereinbare ich einen Termin mit dem Hinweis auf Dringlichkeit, aber pünktlich nach den zwei Tagen ist von der ganzen Sache eigentlich nichts mehr zu sehen. Es wird vermutlich diese Tasche hinter dem Weisheitszahn sein, sage ich dem Arzt an der Müllerstraße, das hatte ich schon mal und sonst noch nie. Er schaut in den Mund und kann keinen Weisheitszahn finden.
"Ich kann unten gar keinen Weisheitszahn sehen, da müsste ja mindestens so ein Buckelchen rausgucken."
"Ja, da guckte auch mal so ein Buckelchen raus."
"Jetzt guckt da aber kein Buckelchen raus, glatt wie ein Kinderpopo", sagt der Arzt.
Er ist jung und fesch, wäre ich anders ich wäre jetzt wohl hin und weg. Er kann auch alles mögliche, schwer kompetent, konnte ich beim Warten auf seinen Zertifikaten lesen. Implantieren und ästhetisches Korrigieren hat er in den USA gelernt.
"Einer ist da jedenfalls noch, ich habe ja die Röntgenbilder gesehen damals und nur einer ist herausgenommen worden."
Er sieht mich irgendwie bedauernd an, armer verwirrter Schriftsteller.
"Was schreiben Sie denn?" "Kurzgeschichten für die Bühne."
"Hier im Wedding?" "Ja."
Da kenne er nur dieses Theater Gutes Wedding, schlechtes Wedding.
"Ja, das sind die anderen", sage ich. "Also wenn ich so in ihren Mund sehe, kann ich eigentlich überhaupt nichts entdecken, was irgendwie nach Entzündung aussieht."
"Aber sie ist doch da", sage ich, "sie hängt in meinem Kiefer, jetzt nur noch flach, aber ich fühle sie dort noch."
Er massiert mir nachdenklich die Wangen. "Naja, womöglich ist das dort ein wenig dicker, das kann schon sein."
"Am Freitag war dort ein gigantischer Klumpen, glauben Sie mir doch. Das flachte dann am Abend ab und ist nach und nach weniger geworden."
"An ihren Zähnen liegt es jedenfalls nicht, aber wir machen mal noch ein Röntgenbild. Soll ja nicht heißen, wir hätten hier nicht alles versucht."
Das Röntgenbild wird eine Nahaufnahme des fraglichen Weisheitszahns.
"Da ist kein Weisheitszahn", zeigt er mir das Bild.
"Aha, dann ist er doch links schon raus, dann ist der rechts noch da."
"Na wie gesagt, ich würde auf den ersten Blick nicht mal vermuten, dass dort überhaupt einer ist. Hier jedenfalls ist keiner, das hier sind Ihre Backenzähne. Und die sehen hervorragend aus, lupenrein, da ist nichts und sie sind wunderbar gewachsen. Und hier auf der Knochen ist sauber strukturiert und absolut einwandfrei. Und ihre Gesichtsfarbe ist auch so gesund."
"Das sind die Komplimente." "Ach so, also aus zahnmedizinischer Sicht fehlt Ihnen nichts."
"Ist das jetzt beunruhigend oder beruhigend."
"Das müssen sie selbst entscheiden, vermutlich beruhigend. Kann auch eine verstopfte Speicheldrüse sein, lutschen Sie mal ein paar saure Drops."
"Saure Drops?" "Zitronenbonbons, dann wird das richtig durchgespült."
Ein Freund am Telefon sagt, mein Problem wäre vermutlich psychomatisch. Viel Stress, eingebildete Krankheit, Depression. Ich käme grad ins richtige Alter.
~#~#~#~#~#~#~#~# Donnerstag, 10.12.09 /20.30 Uhr
LAINE-ART (Liebenwalder Str.39, nahe Osram-Höfe)
BRAUSEBOYS
Der große Brauseboys-Heimatabend mit den nettesten finnischen Gastgebern der Welt. Sechs Jahre lang haben wir jeden Donnerstag hier unsere Geschichten vorgelesen. Neue Texte, Musik und Multimedia mit Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann & Heiko Werning. Das einmalige Revival für alle, NUR AN DIESEM Donnerstag. Mit Flaschenbier und Klapperbänken.
Gäste:
MATTHIAS REUTER (Schunkeln freigestellt)
http://www.matthiasreuter.de/
HÄNS DÄMPF (Knietief im Sandkasten)
http://www.myspace.com/haensdaempf
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