Politwochen 2021 - Der umfassende Kandidat*innen-Check der Brauseboys. In diesem Jahr unnachahmlich mit besonders herzerwärmenden Lobhudeleien der Parteigäste von Nils Heinrich.
(Politwochen am 23.6. mit Annika Klose & Daniel Bussenius)
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Liebes Volk. Lasst mich in Metaphern sprechen. Nachdem wir uns in den letzten vier Wochen die Zusatzstoffe des politischen Spektrums reingepfiffen haben – den Zucker, das Fett, die Lebensmittelfarbe und zwei kleine Enzyme – kommen heute endlich die für die Verdauung notwendigen Ballaststoffe dran: das Schrot, das Vollkorn, die Apfelschale. Die groben Reste, der vermeintliche Abfall, der jedoch lebensnotwendiger Ausputzer und Sattmacher ist.
Heute begrüßen wie die Partei, ohne die alles den Bach runtergehen würde. Die Trümmerfrau unter den parlamentarischen Turnvereinen. Die älteste Arbeiterpartei der Welt.
Die Klaus Lage unter den Parteien: unsere gute alte Tante SPD. Nachdem sie im alten Jahrhundert der Liebling aller Kabarettisten war, wurde sie ab den Zweitausendern nur noch wüst beschimpft. Die arme SPD unter Gerhard Schröder befand sich plötzlich in der siffigen Situation, Ideenlieferant, Hassobjekt und thematische Voodoopuppe aller Komiker zu sein, die mit billiger Effekthascherei die größten Säle des Landes voll bekamen.
Die SPD war eine Partei für Leute, die auf Biegen und Brechen herausfinden wollten: „Was ist das eigentlich – Depression?“
Mit dem Mitgliedsausweis dieser Partei bekam man Gratistermine bei den teuersten Psychiatern des Landes. Vereinzelt soll es sogar Dominastudios gegeben haben, die sich das SPD-Parteilogo über den Eingang schraubten, um viele Kunden anzulocken. Hat auch geklappt.
Junge Poetryslammer errichteten ihre Karrieren auf billigen Schmähgesängen gegen die Partei, die es doch immer nur gut mit uns meinte.
„Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten.“ Wer Einschaltquoten wollte oder Klickzahlen für seine Videos, brauchte nur über die SPD schimpfen. Da war der Erfolg so sicher wie das „Gefällt mir“ bei Facebook. Und das alles nur, weil die Sozialdemokraten den Karren, den die CDU stockbesoffen an die Wand gesetzt hatte, irgendwie bergen und reparieren musste. Mit einer Agenda. Die ja nur dafür da war, dass die Deutschen von dem, was sie am liebsten tun, künftig noch mehr dürfen: arbeiten! Und wie macht man das? Natürlich, indem man Arbeitslose noch ein bisschen loser macht. Seien wir doch mal ehrlich: es gibt mehr Arbeitslose als Millionäre. Und es ist doch ein glasklares Prinzip jeder Solidargemeinschaft, dass die Mehrheit für die Minderheit einstehen muss. Und wenn einer eine sehr kurze Hose trägt, macht‘s dem auch nichts aus, wenn man da noch ein Loch reinschneidet.
Auch in Berlin hat die SPD aufgeräumt. Weil die überzuckerten Rowdys von der CDU ein versunkenes Atlantis hinterließen, musste Klaus „Ich weiß, wie man einen Flughafen baut“ Wowereit mit dem Kärcher durch.
„Sparen, bis es quietscht“, hieß die Devise. Und das traf natürlich vorwiegend Jugendprojekte, Kultur und anderes soziales Gedöns. Was niemand braucht, dem es um Arbeitsplätze geht. Anfang der 90er war Neoliberalismus der heiße Scheiß und die SPD wollte ganz vorn dabei sein. Sonst hätten ja wieder alle gesagt: „Boah, ihr seid so alt, ey!“
Der Mastermind des Abschaffens war Thilo Sarrazin. Auch die Bürgerämter hat er zusammengekürzt. Und weil er durchs jahrelange Abschaffen irgendwann aufm Trip war, schrieb er wie im Wahn gleich noch einen Bestseller übers Abschaffen und ist damit Millionär geworden. Der böse Bruder von Michael Ende hat danach noch viele andere Brocken verfasst, in denen Boomer für mehr als 20 Euro pro Exemplar genau das lesen können, wovon sie eh schon überzeugt sind. Nämlich: nicht du bist rechts, die Gesellschaft rutscht nach links!
Womit sie ihre erwachsenen Kinder und Enkel quälen, wenn die auf einen ihrer immer selteneren Besuche vorbei kommen.
Also kurz gesagt war das Motto der SPD fast 20 Jahre lang „Haste Kacke am Schuh, haste Kacke am Schuh.“
Doch nun die Trendwende: weil Olaf „Brechmittel bringen niemanden um“ Scholz im richtigen Moment die Klappe halten kann, führt er in den Umfragen.
Crazy Shit!
Das Pech der anderen beiden Kanzlerkandidaten: IHN halten die Wähler für zu dumm, SIE halten die Wähler für zu klug. Und die Leute wollen nun mal weder von einem vergesslichen Trauerfeierclown regiert werden noch von einer neumalklugen Schulsprecherin.
Beides ist den anständigen Bürgern dieses Landes suspekt. Zu Recht!
Es gibt noch einen weiteren Vorteil für Olaf Scholz: Gras, das über Dinge wächst. Dazu ein O-Ton vom berühmtesten Deutschen überhaupt, dem kleinen Mann auf der Straße: „Cum Ex? Verstehe ich nicht. Ich verstehe ja nicht mal meine Steuererklärung. Wie, Knüppel-Polizeieinsätze beim G20 Gipfel in Hamburg. In Hamburg war mal ein G20-Gipfel? Echt???? Mir fällt gerade ein: ich war noch nie in Hamburg!“
Naja. Kurz gesagt: die SPD ist wieder da!
Die Wolfgang Petry unter den Parteien mischt wieder ganz vorne mit. Was für ein Comeback!
Ihre erste erfolgreiche Singleauskopplung heißt natürlich „Mindestlohn 12 Euro!“
In den Augen des Wanderpredigers Armin Laschet natürlich purer Satanismus. Aber für die SPD, die Currywurst unter den Parteien, eine ganz klare Maßnahme für gerechte Bezahlung und anständige Teilhabe. Auch die albanische Altenpflegerin und der westrumänische Wurstpellenwäscher sollen genug übrig haben, um sich nicht nur zwei Teslas zu kaufen – den einen zum Fahren, den anderen zum Aufladen – sondern auch, um mit der Restkohle in Panama eine Briefkastenfirma zu gründen!
Außerdem soll, gerade hier in Berlin, jeder eine Wohnung haben. Bauen bauen bauen ist das Gebot der Stunde. Alles muss zugebaut werden. Zur Not auch der Tiergarten. Auch ohne eine mit den Petersilie-Streichlern von den Grünen ausgehandelte Bauverordnung. Wer braucht grüne Dächer, wer braucht kühle Luft? Arbeitsplätze und Arbeiterschließfächer, das ist der Bedarf der Stunde. Wer im Grünen wohnen will, kann nach Königs Wusterhausen ziehen.
Und das machen auch immer mehr.
Das ausgeblutete Brandenburg mit Berlinern bevölkern, den großen Austausch vollziehen, das ist der raffinierte Plan von Franziska Giffey, der eisernen Lady mit der sturmfesten Hochsteckfrisur. Es ist ein böses Gerücht, dass die immer adrette Wiedergängerin von Doris Day, deren Lieblingsfilm „Dune, der Wüstenplanet“ ist, Berlin zu einer begehbaren Blockbusterkulisse machen will, die mit ihren neu gebauten Mietkasernen aussieht wie Giffeys Geburtsstadt Frankfurt an der Oder, einer traurigen Plattenbauausstellung kurz vor Polen.
Nein Nein! Die Frau, die per Copy and Paste dafür gesorgt hat, dass in der Berliner SPD mehr CDU enthalten ist als in der CDU, will Berlin einfach nur zu einer kühl lächelnden Lifestyle-Metropole machen, auf die ganz München neidisch ist!
„Ganz sicher Berlin“ ist jetzt der Claim und der steht dann auch auf den Ortseingangsschildern – damit klar ist, dass man nicht ins jämmerliche Düsseldorf einreitet.
Setzte die SPD jahrelang mit ihrer Fixierung auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf Genossinnen und Genossen erkennbar aufs falsche Pferd, so hat sie nun endlich eine Wählerschicht entdeckt, die der linksgrün versifften CDU abhanden gekommen ist: die Schrebergärtner und Falschparkeraufschreiber!
Ehrliche Berliner Randbezirksbewohner, die ihren Rasen zuerst mit der Nilpferdpeitsche trimmen und anschließend beschimpfen, haben jedes Recht, von einer Bürgermeisterin regiert zu werden, vor der sogar Fräulein Rottenmeier Angst hätte.
Und wenn hier noch mal irgendein oberschlauer Akademiker, der noch nie einen Fehler gemacht hat, diese absolut irrelevante, winzig kleine Nichtigkeit mit diesem Plagiat da ans Tageslicht zerrt, dann ist er sofort seinen Taxischein los!
Wir sind hier nicht auf der Suche nach einem Doktorvater, wir wollen eine Stadtmutter! Sie hat sogar die bösen Jungs aus den Clans auf ihrer Seite. Wer wie sie die Bürgermeister-Eier hatte, den schweren Brocken Neukölln zu verdauen, verspeist Spandau und Zehlendorf zum Nachtisch. Schon wird in der Hasenheide mit Giffey-Fanartikeln gedealt. Das sind mit Helium gefüllte Luftballons, auf denen steht: „Meine Stimme für Franziska!“
Franziska Giffey, die Maggie Thatcher 2.0, hat das Zeug, die Sozialdemokratie in Deutschland ganz nach vorne zu powern.
Zusammen mit Olaf Scholz, dem Kraftriegel auf zwei Beinen, und Karl Lauterbach, dem Virenschreck vom Rhein, hat sie aus der Wasserleiche SPD eine muskulöse Zehnkämpferin gemacht, die höher, schneller und weiter kommt als Friedrich Merz mit allen beiden Flugzeugen zusammen.
Und heute ist sie hier, das Hitradio des Parlaments, der Pumpernickel des Bundestages, die Roland Kaiser in der Superhitparade der Volksparteien: unsere SPD, in Form von Annika Klose & Daniel Bussenius.
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