Selbst schuld (von Frank Sorge)
Das Telefon klingelt und eine Frau fragt, ob sie mit dem Amtsgericht Oschersleben verbunden ist. Es ist Montag früh, es muss am Montag liegen. "Nein", sage ich und auf die Frage, wo sie denn dann gelandet wäre: "In Berlin."
Nach dem Auflegen ärgere ich mich ein bisschen, denn eine solche Gelegenheit ergibt sich ja nicht jeden Tag. Aber ich muss besser vorbereitet sein, so schnell kann ich nicht auf ein Gericht umschalten. Das Gesetz der Fehlanrufe sagt jedoch voraus, dass ich jeden Moment damit rechnen muss, dass es erneut klingelt. Also beginne ich mir alternative Antworten zurechtzulegen: "Nein, hier immer noch NSA-Zentrale Berlin-Mitte, beim Amtsgericht ist weiterhin besetzt, probieren Sie es später nochmal."
Besser wäre noch, meine Stimme zu verstellen, ich entscheide mich für einen leiernden Brummton: "Ja, Frau X, schön, dass Sie sich melden, Sie sind übrigens schuldig", erscheint mir als Blindschuss nicht schlecht, "und zwar so richtig schuldig." Oder: "Ach, wollen Sie auch endlich melden, dass sie Steuern hinterziehen? Wissen wir schon."
Oder: "Nein, sie sprechen mit der Aufsicht vom Atomkraftwerk Gundre... was ist da los, oh mein Gott, ich muss auflegen, ein Notfall!" Dann den Hörer auf die Tischplatte knallen und aus dem Flur ein leise klagendes "Ahhhhh..." erklingen lassen.
Nach reiflicher Überlegung vor dem Telefon, das stumm bleibt, schraube ich meine Erwartungen zurück: "Nein, hier ist kein Amtsgericht, nur ein Opfer der Umstände." Das wäre dann nicht mal gelogen.
Donnerstag, 13.3. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20)
Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit elf Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
Micha-El Goehre
Manfred Maurenbrecher
Ivo Lotion
Kommentare