Bald war es das (von Frank Sorge)
"Ich war schon zur Eröffnung hier, und du?", denke ich und schaue dem Dönermann bei der Zubereitung zu. Er ist älter als ich, aber ist hier erst seit kurzem. Vielleicht ist es schon fünfzehn Jahre her, das hier Eröffnung war, in der Zeit haben Besitzer und Dönerteams oft gewechselt, wobei der Laden fast unverändert geblieben ist. Der Laden und ich, wir kennen uns seit Anbeginn.
"Kommt gleich, mjam mjam, wir machen das nicht in Eile, immer mit viel Liebe, weißt du?", sagt er und ich beobachte mich im Spiegel neben dem Dönerspieß. Es darf mich nicht so doll sichtbar schütteln und ich muss wenigstens im Gesicht Fassung bewahren. Seit ein paar Wochen geht das so und wird immer mehr, ein gekünsteltes Gefasel, das mich kirre macht. Hat er wirklich ein 'mjam, mjam, mjam' eingefügt, ich muss mich verhört haben.
"Wirst du sehen, mach ich richtig schön, alles gut, alles bestens!"
Meine inneren Alarmsirenen schrillen, meine Gesichtszüge entgleisen, sehe ich im Spiegel, mit großem Willen wird noch ein gequältes Lächeln daraus. Ich denke daran, wie viele andere Dönerläden es in der Umgebung gibt und dass die doch auch ganz okay waren, so im Schnitt. Ich muss hier nicht hingehen, ich bin ein freier Mann, ein freier Kunde.
"So, guck mal, mache ich hier richtig schön für dich, mein Lieber, alles gut, alles bestens, wirst du sehen, mit viel Liebe gemacht, mjam, mjam, gleich fertig."
Ich bin es schon, ich kann nicht mehr, ich will nur noch, dass es vorbei geht. Mach die Tasche zu, gib mir mein Dönerpäckchen und ich bezahle und verschwinde, vielleicht für immer. Ja, mit viel Liebe, ich weiß, aber Mann, es ist ein Döner! Er ist frisch, er ist lecker, das sieht man, solange man ihn nicht fünf Minuten lang verbal vorkaut. Außerdem ist hier alles wie immer, wie seit fünfzehn Jahren. Bis du aufgetaucht bist und jetzt diese Show abziehst. Ich war schon zur Eröffnung hier, und du?
"Guck mal", er reicht mir das Päckchen, "mit viel Liebe gemacht, lass es dir schmecken, mein Lieber. Alles gut, mjam, mjam."
Bald war es das, denke ich, ich muss wieder nach nebenan.
Donnerstag, 19.6. (20 Uhr)
Haus der Sinne (Ystader Str. 10)
Wir können heute noch nichts über morgen sagen, jedenfalls im Moment nicht. Wer morgen mit wem im Krieg ist, wer von welchen Regierenden noch regiert oder mit welchem rhetorischen Kniff sich Jens Spahn noch zu rechtfertigen versucht. Alles ungewiss, aber wir hoffen, dass es diese Woche noch einen Donnerstag geben wird, den wir gemeinsam im Haus der Sinne verbringen können. Das wäre doch schön! Neue Texte hören, Liedern lauschen, Heiterkeit teilen. Wir haben außerdem Gäste eingeladen, die euer Gemüt erhellen werden: Aidin Halimi und Martin Goldenbaum.
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