Vorbemerkung:
Dieser Text beginnt mit einem Geständnis. Ich bin Mitglied bei den
Grünen. Und das seit 24½ Jahren, mehr als die Hälfte meines
Lebens. Und ich bin nicht ausgetreten bislang. Noch nicht. Darüber
ist dieser Text.
Liebe
Grüne,
wenn
ich diesen offenen Brief irgendwo vortragen werde, werde ich eine
Vorbemerkung vorweg schicken müssen, und erst einmal öffentlich
gestehen, dass ich Parteimitglied bin. „Parteimitglied“, das hat
im Osten Berlins, wo ich lebe, irgendwie was anrüchiges. Ich weiß
gar nicht, wann ich damit angefangen habe, meine Mitgliedschaft bei
Euch zu verheimlichen.
Ich
verschweige sie noch mehr als meinen Doktortitel. Letzteren
verheimliche ich gar nicht aktiv, ich glaub nur nicht, dass er
sonderlich wichtig ist. Ich mag damit nicht angeben. Mit meiner
Mitgliedschaft bei den Grünen verhält es sich anders. Im Grunde ist
sie auch nicht wichtig. Allerdings verschweige ich sie lieber, denn
ich möchte damit nicht unangenehm auffallen. Ich glaub, ich geh mit
meiner sexuellen Orientierung und meinen diesbezüglichen Vorlieben
offener um als mit meiner Parteimitgliedschaft.
Dabei
könnte ich prototypischer nicht sein: Homosexueller mit Doktortitel
und Eigentumswohnung, zugezogen aus Westdeutschland in ehemaligem
Ostbezirk. Man kann nicht typischer grün sein als ich. Ich mach
sogar was mit Medien. Fuck, im Grunde könnte meine Demografie für
mich wählen gehen.
Vielleicht
halte ich deshalb meine Parteimitgliedschaft geheim. Um nicht in den
Verdacht geraten, demnächst meine Straße still zu klagen, wie es
nebenan im Prenzlauer Berg Usus ist. Als Grüner muss man sich
ständig rechtfertigen, erklären, entschuldigen, das nervt. Ich
entschuldige mich immer mit meiner Biografie.
10
Jahre war ich bei den Grünen mal sehr aktiv. Im Frühjahr 1993 wurde
ich von Euch als sachkundiger Bürger in den Ausschuss für Jugend
und Sport meines Heimatörtchens Halle (Westf.) geschickt. Da bin ich auch eingetreten, glaube ich. Ein
Parteibuch gibt es bei den Grünen nicht, das älteste Zeugnis meiner
Mitgliedschaft ist ein Zuwendungsbescheid für das Jahr 1993. Da war ich
21. Vorher hatte ich mich in der grünen Jugend engagiert, für den
Erhalt einer Streuobstwiese in der Innenstadt gekämpft, die die
örtliche Sparkasse für einen Parkplatz plattmachen wollte, und
gegen die A33, die einmal längs durch alle Naturschutzgebiete
Ostwestfalens hindurchgeplant worden war. Ich hab den
Tschernobyl-Schock voll mitbekommen. Waldsterben, Ozonloch, FCKW, all
that shit. Engagiert war ich immer, aber Schülerzeitung und
christliche Jugendarbeit reichten mir nicht aus. Ich wollt auch was
ändern. So kam ich mit ein paar Freunden zur grün-alternativen
Jugend.
1994
gehörte ich zu den Gründungsmitgliedern des Bundesverbandes der
Grünen Jugend. Fast wär' ich Beisitzer im Gründungsvorstand
geworden. Wichtig war unserer ostwestfälischen Abordnung vor allem,
die Ultrarealos aus Hessen um Tarek Al-Wazir am Durchmarsch zu
verhindern. Es gelang. Tarek Al-Wazir hat es indes nicht geschadet:
Er ist heute stellvertretender hessischer Ministerpräsident in einer
schwarzgrünen Koalition.
Meinen
größten politischen Erfolg verdanke ich allerdings der FDP. Bei der
Kommunalwahl 1994 schnitten die Grünen zwar ganz gut ab, aber nur
weil die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde
scheiterte, fiel der 61. von 61 Kreistagssitzen den Grünen zu. Vom
eigentlich aussichtslosen 6. Listenplatz zog ich als jüngstes
Mitglied in den Kreistag ein.
Fünf
Jahre habe ich dort Politik gespielt. Lange Haare, Jeans und grünes
Batikshirt – Gott, sah ich scheiße aus damals bei meinen
öffentlichen Auftritten. Meine Mission bestand darin, mich von
Bauern beschimpfen zu lassen – entweder im Umweltausschuss oder zu
Hause von meinem Vater – und Reden zu halten. Diese funktionierten
stets nach demselben Prinzip: Ich trat ans Pult, und sprach so lange,
bis SPD und Grüne johlend und grunzend auf ihren Tischen lagen und
die CDU-Fraktion Schaum vorm Mund hatte. Zufrieden war ich erst, wenn
jemand aus meinen Reihen „Zugabe!“ rief, und die CDU konterte mit
dem Vorwurf: „Das war doch Kabarett!“ Politische Satire kann sehr
wirkungsvoll sein, wenn man sie an den richtigen Stellen einsetzt.
Siehe DIE PARTEI. Sehr reif war das sicher alles nicht, aber ich war
22, und es hat Spaß gemacht.
Fast
wäre ich 1995 in den Landtag eingezogen. Es ist eins der schönsten
und ulkigsten Erlebnisse mit Euch, liebe Grüne. Während der
Bundestagswahlkampf 1994 noch lief, fand im Festspielhaus
Recklinghausen der grüne Landesparteitag zur Aufstellung der
Wahlliste für die bald folgende Landtagswahl in NRW statt. Diese
Listen wurden damals in zermürbenden Kämpfen nach komplizierten
Axiomen alternativ-demokratischer Links-Rechts-Arithmetik gestrickt:
Realo, Fundi, Linker, Regierungslinker, Öko – einen links, einen
rechts, zwei fallen lassen. Zusammen mit ein paar Parteifreunden aus
dem Kreis Gütersloh war ich als Delegierter entsandt worden. Zwei
Tage zuvor war mir eine Zyste über dem rechten Auge entfernt worden,
der Bluterguss breitete sich bin um die Augenhöhle herum aus, ich
trug ein veritables Veilchen im Gesicht und wurde auf dem Parteitag
unzählige Male gefragt, ob das die verdammten Nazischweine waren.
Inmitten
der aufgeheizten Parteitagsatmosphäre und immer zäher werdenden
Auszählpausen stupste mich eine Parteifreundin an und meinte: „Hey
Volker, willst du nicht in der nächsten Pause mal deinen Text über
das Wahlplakat lesen?“
Ich
las meine kleine Satire über ein völlig vergurktes Wahlplakat, der
Parteitag johlte. Die grüne Seele liebt die Selbstkasteiung.
Immerhin darin seid Ihr Euch treu geblieben.
Als
der Applaus abebbte, eilte ein Parteitagsdelegierter ans Saalmikrofon
und rief unter dem Beifall der versammelten Landesgrünen: „Wer war
der Mann und auf welchem Platz kandidiert er?“ In jenem Moment
hätte ich nicht viel mehr sagen müssen als: „Volker Surmann,
Kreisverband Gütersloh, ich kandidiere für Platz 18.“ Nach
Einschätzung politischer Beobachter war die parteitagsmürbe
Wahlversammlung so euphorisiert, dass ich mühelos gewählt worden
wäre. In den Landtag zogen 1995 überraschend 20 Grüne ein. Ich wär
drin gewesen.
Es
sind diese Geschichten, die ich aus meiner Biografie nicht mehr
wegdenken kann. 10 aufregende Jahre, die ich nicht missen möchte.
Und sie sind es auch, die es mir zurzeit schwer machen.
Ich
bin nicht gut im Austreten. Ich war mal kirchlich sehr aktiv, hab
aber seit 25 Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht. Ausgetreten bin
ich trotzdem nicht. Seit 44 Jahren Protestant, seit bald 25 Jahren
Die Grünen, seit bald 15 Jahren Brauseboy. Mein Therapeut sagt, ich
sei eine sehr treue Seele. Es ist mir ein völliges Rätsel, wieso
ich Single bin, ich bin ein Superbeziehungstyp, mich wird man auch
dann nicht los, wenn man schon seit 15 Jahren nicht mehr miteinander
redet.
Das
ist in etwa die aktuelle Situation. In Berlin wurde ich bei den
Grünen nicht wieder aktiv. Ich verlegte mein Engagement auf
schwullesbische und kulturelle Aktivitäten. Außerdem erschienen für
mich, der ich aus dem wohl temperierten Bällebad
der ostwestfälischen Kommunalpolitik kam, die Berliner Grünen von
Anfang an als ein Haifischbecken, das sie tatsächlich auch sind.
Siehe die aktuellen Umtriebe einiger Berliner Altrealos zum
Wahlboykott gegen die angeblich zu linke Kreuzberger Direktkandidatin
Canan Bayram. Aller Trend zum Vegetarismus und Veganismus hin oder
her: Nichts sättigt Berliner Grüne mehr als ein kräftiger Biss in
die Wade des innerparteilichen Gegners. Da hab ich mich lieber gleich
tot gestellt. Meinen Mitgliedsbeitrag habe ich seit der
Euroumstellung nicht mehr geändert. Ich weiß dass die unteren
Parteiebenen an die Landes- und Bundesverbände pro Mitglied einen
gewissen Betrag abführen müssen. Ich glaube, ich koste die
Kreuzberger Grünen mehr, als ich zahle. Eigentlich hätten sie mich
längst rauswerfen müssen.
Ihr
Grünen und ich. 24½ Jahre. Wir könnten bald Silberhochzeit feiern.
Und wir geben ein sehr typisches Silberhochzeitspaar ab. 10 Jahre
hat's gefunkt, danach nicht mehr miteinander gesprochen und trotzdem
treu geblieben. Heute frage ich mich wieso, eigentlich.
Es
war immer ein unbestimmtes Gefühl, dass ich politisch schon
irgendwie aufgehoben wäre bei Euch. Aber im Grunde hab ich keine
Ahnung, was ihr zurzeit fordert oder wollt. Ein bisschen ist es eben
doch wie einer Beziehung: Am Anfang vertraut man sich blind, und
irgendwann weiß man nicht mehr, was der Partner in seinem
Hobbykeller eigentlich so anstellt.
Ich
weiß nicht, was Katrin Göring-Eckart und Cem Özdemir im grünen
Hobbykeller so basteln. Viele sagen: Sie zimmern an schwarzgrün und
sonst nicht viel.
Bei
der letzten Urwahl habe ich sie nicht gewählt. Und schon da hatte
ich Gewissensbisse. Hatte ich als langjährige und zunehmend
uninformierte Karteileiche eigentlich das Recht, mit abzustimmen? Wer
war ich, mich zu beschweren, dass ich zur weiblichen Kandidatin nur
Ja oder nix sagen konnte, aber nicht Nein, es sei denn ich lehnte
auch die drei männlichen Kandidaten ab. Vielleicht hatte man einfach
keine bessere Kandidatin gefunden. Kannte ich mich da noch aus?
Vielleicht hatte die viel bessere Spitzenkandidatin auch schon Urlaub
gebucht für September 2017 und konnte sich deshalb nicht zur Wahl
stellen - was wusste ich denn schon?
Was
sind die Politikfelder der beiden Spitzen? Nicht mal das weiß ich.
Göring-Eckart soll irgendwie ganz nett sein. Aber ein „Ministry of
Nettness“ gibt' ja nicht. Eine Ministerin für Kirchenfragen oder
Leiterin der Glaubenskongregation brauchen wir auch nicht. Cem
Özedmir sagt immer zu allem irgendwas und kommt immer sehr eloquent
rüber. Meistens vergesse ich allerdings sofort wieder, was er sagt:
In einer Bundesregierung wäre er der ideale Regierungssprecher.
Immerhin:
Wahl-o-Mat und Co bescheinigen mir, immer noch zu 75-80 Prozent
Grüner zu sein. Und Tatsächlich sind die Grünen meiner Wahrnehmung
noch immer noch die einzige Partei, die Umweltpolitik macht und kann.
Glaube ich. Leider hört man davon nicht allzu viel.
Viel
mehr hört man von Winfried Kretschmann und seinem Einsatz für
Autokonzerne.
Anfangs
fand ich den schwäbelnden Studienrat ja noch ganz drollig und grüner
Ministerpräsident … ja, war schon ganz cool. Kurz. Heute ist es
mir unangenehm, in derselben Partei wie Winfried Kretschmann und
Boris Palmer zu sein. Aber wieso sollte deshalb ich gehen? Können
nicht einfach die gehen?
Ich
hab nicht mal per per se Angst vor schwarz-grün. Im Kreis
Gütersloh damals regierten wir 5 Jahre mit einer Einstimmenmehrheit
Rot-grün-unabhängige Wähler. Es war immer die SPD, die
samstagmorgens um 8:30 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn der
Kreistagssitzung ankam und mühsam ausgehandelte Kompromisse noch mal
schnell nachverhandeln wollte, weil ihr noch irgendeine Wählergruppe
eingefallen war, die sie zu prellen befürchtete. Es war grässlich.
Samstags, 9 Uhr Kreistagssitzung. Mann, muss ich überzeugt gewesen
sein!
Die
nächste Wahlperiode war ohne klare Mehrheitsverhältnisse. Je nach
Thema gab es wechselnde Mehrheiten. Und das lernten wir damals an der
CDU zu schätzen: Wenn man sich mit ihr in irgendeiner Sachfrage mal
auf einen Kompromiss verständigt hatte, dann galt der auch.
Allerdings gab es im Kreis Gütersloh auch keine CSU.
Insofern
bin ich nicht grundsätzlich gegen Bündnisse mit der CDU, aber ich
traue der aktuellen Führungsriege der Grünen nicht zu, ein solches
Bündnis gut zu schmieden. Ich befürchte da dann doch ein Weiter-so
mit minimal grünerem Anstrich. Ich kann daher jeden Menschen
verstehen, der die Grünen deshalb nicht wählen will.
Jahrelang
hab ich gedacht, ich hätte mich in den 15 Jahren meines
Karteileichendaseins von den Grünen entfernt. Wie mit der optischen
Täuschung am Bahnhof, wenn der Zug anfährt. Plötzlich schaut man
raus und denkt kurz: Huch, wieso fährt denn der Bahnhof plötzlich
weg? Tatsächlich fuhr man natürlich selbst mit dem Zug ab. Und so
hatte ich jahrelang gedacht, ich hätte mich von denen Grünen
entfernt, aber nein. In diesem Fall tuckert der Bahnhof tatsächlich
weg! Ich steh politisch noch in etwa da, wo ich vor 20 Jahren stand.
Nur die Partei hat sich von mir wegbewegt.
Ich
stand bei den Grünen politisch immer irgendwo zwischen Linken und
Realos. Ich hab Hans-Christian Ströbele immer gewählt. Ich war
selten seiner Meinung, aber immer froh, dass es ihn gab. Weil die
Grünen den linken Flügel brauchen, denn wenn der rechte Flügel zu
schwer wird, dreht man ab nach rechts – und nach unten. Die
Bundestagswahl 2017 wird womöglich die allfällige Bruchlandung.
Neulich
hatte ich eine absurde Facebook-Diskussion mit einem jungen Grünen.
Ich mag ihn eigentlich ganz gern, aber er postete etwas völlig
Unsinniges. Weil ein zu schnelles Carsharingauto einen Fußgänger
totgefahren hat, solle man über eine automatische Tempodrosselung
der Fahrzeuge nachdenken, und prompt pflichteten ihm andere Grüne
bei, ja auf 50 oder 70 drosseln, man habe auch schon mal einen
Carsharingnutzer gesehen, der zu schnell gefahren sei oder sein Auto
nicht angekriegt hätte, natürlich ein Tourist!
Nun
ist es so: Überhöhte Geschwindigkeit und Menschen totfahren ist
schon verboten. Woher kommt dieser Reflex, wegen des Fehlverhaltens
einzelner eine weitere Gängelung für alle zu fordern?
Warum
ich Euch Grünen diese absurde kleine Anekdote erzähle? – Weil ich
plötzlich und zu meiner eigenen Überraschung danach den unbändigen
Wunsch verspürte, bei Euch jetzt und sofort auszutreten. Aber wieso
eigentlich?
Ich
hab versucht, das zu ergründen: In den letzten Jahren habe ich oft
gesagt: Ach, die Grünen, die Bundespartei, ja die haben vielleicht
grad keine starken Leute, aber der Kurs passt schon noch. Und ich
kenne ja junge Grüne, die ich für sehr verständig und patent
halte. Denen vertraue ich.
Aber
diese absurde Facebook-Diskussion zeigte mir: Neee! Es geht mir nicht
um diese Schnapsidee, es geht mir um den Reflex, der dahinterliegt:
Ein vermeintliches Problem sofort durch eine neue gesetzliche
Maßnahme lösen zu wollen. Dieser „Erziehungsreflex“ hat die
Partei durch und durch ergriffen! Oder war das schon immer so, und
hab ich es nur jahrzehntelang nicht bemerkt?
Oder
habt Ihr, liebe Grünen, in den letzten Jahren Euer Menschenbild so
dermaßen verändert, dass Ihr die Bevölkerung als etwas betrachtet,
das man gefälligst auf den richtige Weg schubsen muss, ob sie nun
will oder nicht. Weil Ihr halt besser wisst, was gut für sie ist?
Vielleicht
sind einfach zu viele Pädagogen bei den Grünen …
Erklärbar
wäre das. Wo die Machtoption vor 'nem Vierteljahrhundert noch eine
viel seltenere war, mussten die Grünen überzeugen und für ihre
Positionen werben; seit die Machtoption ein sehr vertrautes Gefühl
ist, liegt ein neues Gesetz meist nicht weit entfernt. Und
Beschließen ist nun mal bequemer als Überzeugen.
Aber
Moment, ist das wirklich so? Stimmt es, dass die Grünen zur
halblinksliberalen ökopastoralen Gesinnungspolizei verspießert
sind?
Kurz
nachdem ich diesen Gedanken auf Facebook gepostet hatte, rief mich
ein alter grüner Weggefährte an: Das stimme doch gar nicht. „Bei
den Grünen verbietet dir niemand was! Das darfst du so nicht sagen!“
Und
richtig ist: Das Image der Grünen als „Verbotspartei“ wird von
AfD und anderen Rechtspopulisten intensiv befeuert. Bin ich, als
grüne Karteileiche, hier bloß auf plumpe Propaganda hereingefallen?
Zeichne ich mit dem Bild einer verkniffenen ökopastoralen Partei
unbewusst meine Sicht auf Katrin Göring-Eckardt nach? Oder sind die
Grünen wirklich zur Volkserziehungspartei geworden, die die
Bevölkerung zum richtigen Leben erziehen will, indem sie immer, wenn
man etwas falsch machen könnte, einmal mit dem Rohrstock (nur echt
aus grünem Biobambus) auf die unartigen Finger schlägt?
Nein,
ich werd da jetzt nicht den Vegieday anführen, da ich weiß,
dass diese angebliche Forderung der Grünen in dieser Art niemals
erhoben wurde, sondern eine Fake-News der Bild-Zeitung war.
Allerdings sehe ich sehr wohl die Gefahr, dass die vegane Bewegung
die Grüne Umweltpolitik irgendwann ebenso vor sich hertreiben
könnte, wie die Tierrechtler schon den Naturschutz vor sich
hergetrieben haben.
Mir
fällt aber als Beispiel der Nichtraucherschutz in NRW ein: Da wurde
eine Regelung eingeführt, wie sie auch in Berlin gilt. Die Kneipiers
und Clubbetreiber bauten Raucherräume, zogen Wände, beauftragten
Architekten, Glaser und Maurer, und 5 Jahre später beschloss die
rotgrüne Landesregierung auf Betreiben der Grünen ein komplettes
Rauchverbot, alle Umbauten für die Katz. In vielen NRW-Kneipen
hatten Grüne danach Lokalverbot. Ich kann's verstehen. Mir fällt
ein, dass Winfried Hermann, seinerzeit grüner Verkehrsminister aus
Baden-Württemberg, die Helmpflicht für Radfahrer forderte. Nichts
gegen Fahrradhelme, aber ich finde, erwachsene Menschen sollten
selbst entscheiden dürfen, wie matsch ihre Birne nach einem Unfall
sein darf. Da glaube ich an die Selbstverantwortung.
Wisst
Ihr, liebe Grüne, wie Ihr mir manchmal vorkommt? Wie meine Omma
damals, die in allerbester Absicht neben mir stand und forderte: „Iss
das, Junge, das ist gesund für Dich!“
Und
ich sagte: „Ich mag aber nicht!“
Vielleicht
funktioniert Schwarz-Grün deshalb so gut: Weil Mutti und Omma dann
gemeinsame Sache machen.
Liebe
Grüne, ich weiß nicht, wie ich rauskommen soll. Aus Eurer Partei
(und ob überhaupt), aus diesem viel zu langen Brief. Ich kriege Euch
einfach nicht zu fassen.
Vielleicht
werde ich Euch wieder wählen. Ihr seid schon ganz okay, glaub ich.
Unter dem, was zur Wahl steht, seid ihr noch das Beste, soll heißen
das kleinste Übel. Aber kann ich in einer Partei bleiben, die ich
seit Jahren nur als das kleinste Übel ansehe?
Der
normale Weg ist, dass man vom Sympathisanten einer Partei irgendwann
zum Mitglied wird. Aber was ist schon normal? Normal wird man vom
Poetry Slammer irgendwann zum Berufskabarettisten. Ich hab's
umgekehrt gemacht, geht auch. In meiner Biografie gäbe es also schon
einen Präzedenzfall. Ich könnt ja wieder Sympathisant werden.
„Sollen
wir es nicht noch mal miteinander versuchen?“, fragt ihr mich.
„Weiß
nicht“, höre mich antworten. „Ich brauch da noch Bedenkzeit.
Aber selbst wenn ich Schluss mache, können wir ja Freunde bleiben.“
Aber ich weiß natürlich selbst, was das normalerweise bedeutet.
VS,
7.9.2017
Nachbemerkung:
Dieser Text ist im Grunde unvollendet, er drückt lediglich einen Zwischenstand meiner Gedankengänge zu einem sehr bestimmten Zeitpunkt aus. Ich habe ihn für den Auftakt der Politwochen der „Brauseboys“ und eigentlich nur zum einmaligen Vorlesen verfasst, nicht zur Veröffentlichung. Dass ich ihn dennoch online stelle, liegt daran, dass mich mehrere Grüne und grün-nahe BesucherInnen des Abends ausdrücklich darum gebeten haben.
Dieser Text ist im Grunde unvollendet, er drückt lediglich einen Zwischenstand meiner Gedankengänge zu einem sehr bestimmten Zeitpunkt aus. Ich habe ihn für den Auftakt der Politwochen der „Brauseboys“ und eigentlich nur zum einmaligen Vorlesen verfasst, nicht zur Veröffentlichung. Dass ich ihn dennoch online stelle, liegt daran, dass mich mehrere Grüne und grün-nahe BesucherInnen des Abends ausdrücklich darum gebeten haben.
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