Sand (von Frank Sorge)
“Hallo, Kinder! Was wollen wir denn m…”
“Buddeln.”
Neue Väter schaufeln Sand. In rauen Mengen, über Jahre hinweg nur vergleichbar mit Braunkohle-Tagebau. Für die ersten Monate genügt es, das Grundlegende vorzuturnen, also ‘Schaufeln in die Form’. Auch gleich schön ordentlich festpressen und überstehenden Sand professionell mit der Schaufelkante abziehen. Zeigen die Kinder nach und nach selbständig das gleiche Verhalten, kann über nächste Trainingseinheiten nachgedacht werden. Vielen erscheinen schon diese ersten Schritte zu mühsam. Unbeholfen schütteln sie etwas Sand von der Schippe und glauben, das biete dem Kind genug Inspiration, selbst tätig zu werden - damit man endlich wieder zurück an sein Bier, den Computer, den Fußball und andere Spielarten der Glückseligkeit kann, die ihren Ursprung zweifelsfrei im Sand haben. Doch wer nicht mit dem Kinde spielen mag, um selber zu spielen, sollte die eigene Volljährigkeit noch einmal überprüfen.
Denn dieses ist wahr: Am Anfang war Sand. Dann kam ein Kind, formte eine Schaufel und schaufelte in eine Form. Daraus nun entstand unsere Zivilisation, und daher ist sie auf Sand gebaut.
Ich richte meinen Blick zurück in mich, wie in ein umgestülptes Fernrohr. Aus alten Zimmern strömt muffige Luft, als die Fenster aufgerissen werden, dahinter ein Panoptikum eigener Buddel-Erinnerungen. Im Schlick, am Strand, in den Sandkästen der Stadt. Mit Sand war ich immer eng, ich nahm ihn mit, in Schuhen und Hosentaschen. Irgendwann habe ich ihn auch gegessen. Er bestaubte die Haut, aber tat nicht weh. Man konnte sich bedenkenlos fallenlassen, Freund Sand in die Arme. Unermüdlich schaufelte ich ihn in Eimer, kippte ihn woanders ab, schaufelte neuen hinein.
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Donnerstag, 1.6. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Thilo Bock, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit vierzehn Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
Chio Schuhmacher (liest wie gesungen)
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