Zeitstrudel (von Frank Sorge)
Auch im Wedding merkt man, dass die Ferienzeit beginnt. Überall ortsfremde junge Menschen mit Reiserucksäcken, in der Liebenwalder am Hostel heute ein ständiger Strom von Abiturientinnen und Abiturienten aus anderen Bundesländern. Der traditionelle Berlinbesuch zum Schulabschluss, er besteht offenkundig fort.
Als ich spät noch zwei Bier vom Späti hole, kommen sie mir auf dem Rückweg entgegen. Erst gucken sie mich verstohlen an, den wirren Streuner mit den zwei Bierflaschen, vor den leuchtenden Fenstern von Falafelladen und Casino, dann sehen sie hinter mir die kleine Spätkauf-Arena, die sich vor dem Laden draußen um den Fernseher gebildet hat. Denn es ist EM und ein Türkei-Spiel, und wenn es der Öffentlich-Rechtliche Fernsehfunk nicht zeigt, dann macht es der Spätkauf und kein Anwohner und kein Ordnungsamt löst die Arena auf, Ehrensache! Aber es ist lustig, wie die Augen der jungen Berlinbesucher aufgerissen sind. Als würden sie dahinter denken: Was hier nach 22 Uhr alles los? Auf der Straße? Sollte der nette ältere Herr nicht längst schlafen?
“Da merkt man, dass man in Berlin ist!”, sagt eine junge Frau zur anderen und schmunzelt. Ich biege ab und denke: Es wiederholt sich alles, der Fluss der Zeit, er ist ein Strudel, Berlin ist noch Berlin, immer neu und gleich spiralwärts ins Nichts. Hoffentlich lassen sie sich hinreissen, einen Moment mit vor dem Späti zu stehen, und wenn sie dann reisemüde und reizüberladen auf das Ausziehsofa fallen und schlafen wollen, dann kommt der Autokorso.
Brauseboys am Donnerstag, 4.7. (20 Uhr) mit Ahne & dem Kreuzmusik-Duo
(Ystader Str. 10)
Beim Schachboxen wird fliegend zwischen Schach und Boxen gewechselt, so ähnlich fühlt es sich gerade mit dem Fußball und dem Vorlesen an. Man kann täglich hin- und herwechseln zwischen fliegenden Bällen und leichtfüßigen Texten, im Direktvergleich muss man allerdings sagen, dass bei uns in der Zeit, die ein Fußballspiel läuft, inhaltlich oft viel mehr passiert. Das beste aber ist, für unsere Dramen müssen wir nicht nach Zetteln hechten, nicht zur Bühne rennen, Foulspiel gibt es bei uns garnicht, es gibt nur Gewinner und auch keine Videobeweise! Dafür alle fünf Minuten eine Auswechslung, ist das nix? Na, also! Schön, dass ihr alle kommt am Donnerstag, um unseren neuesten Texte in der Euphoriekurve des Stadions Haus der Sinne zu lauschen, dann wird es ein Fest. Außerdem wird uns Ahne als Gast verstärken, der ganz bestimmt Gott mitbringen wird, wegen der feingeistlichen Musike des Kreuzmusik-Duos.
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