Wunschdenken (von Frank Sorge)
In der Sprache gewinnt gerne mal das Wunschdenken über die Realität. Es steht 0:1 und die zurückliegende Mannschaft erkämpft sich nach zähem Ringen den Ausgleich.
"Das ist die Führung!", ruft der Fernsehkommentator.
"Nein, ist sie nicht", kommentiert mein Nebenmann trocken, "höchstens war das die Führung. Der anderen."
"Muss man doch nicht so eng sehen", sage ich, "so für sich gesehen führen sie endlich mit einem Tor."
"Für sich spielen die aber nicht."
"Ja, im Gesamtspielzusammenhang steht es natürlich 1:1", gebe ich zu, "aber man könnte fast sagen, beide sind in Führung gegangen."
"Der hat sich einfach vertan, können wir weiter Fußball gucken?", ruft jemand dazwischen.
"Beide in Führung gegangen, so ein Quatsch."
"Alles nur Gewöhnung, aber so könnte man dann sogar sprachlich einen Unterschied machen zu einem reinen 0:0."
"Die Mannschaften gingen mit gleich vielen Toren in Führung und trennten sich unentschieden?"
"Der ging ins Aus", sagt der Fernsehkommentator.
"Sieh an, wirklich im Aus", sagt mein Nebenmann, "er kanns wieder."
"Aus klingt so negativ", bemerke ich, "der Ball ist auf dem 'anderen Feld', könnte man auch sagen."
Den Mit-Viewern wird es zu bunt.
"Macht jemand mal den Ton lauter, bitte! Da vorne wird mir zu viel philosophiert."
"Geht nicht, wegen der Nachbarn."
"Die mit den Böllern?"
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Donnerstag, 30.6. / 20 Uhr
Mastul (Liebenwalder Str. 33, nahe Osram-Höfe)
Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit dreizehn Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
ACHTUNG FUSSBALL-EM! Am Donnerstag, 30.06. und in der Folgewoche (7.7.) Kurzshow mit Public Viewing im Mastul. Ab 20 Uhr gibt es ein Vorprogramm, ab 21 Uhr gemeinsames Schauen des Spiels Polen-Portugal (Eintritt frei)
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