Weil sie nicht lieben (von Frank Sorge)
Eine Frau quetscht sich neben einen Mann auf den U-Bahnsitz.
"Is' ja'n Gemeinschaftswagen. Ick hab ooch Rechte."
Eine Art Flirt beginnt.
“Komm drauf an”, erwidert der Mann.
“Worauf?”
“Ob Sie einen Fahrschein haben.”
Das leuchtet auch uns Zuhörern ein.
“Wollen Sie mich kontrollieren?” Sie mustert ihn: “Dann will ick aber auch'n Ausweis sehen.”
Er lächelt süffisant. Sie lächelt auch süffisant.
Sie sind beide um die Fünfzig, Partner sind nicht zu sehen. Er ein großer Klotz, sie eine burschikose Blondierte. Wie sie so eng aneinander sitzen, erwarte ich jeden Moment, dass sie ihre Hand in seine legt. Oder er den Arm um ihre Schulter. Aber schon zwei Stationen später ist sie weg, er bleibt ungerührt eine weitere sitzen. Nichts ist passiert, nur ich beobachte das Ganze und mache großes Gefühlskino daraus.
Wir steigen an der Seestraße aus, er geht zum Catering und ich beratschlage mit dem Kameramann über die nächste Einstellung. Lasse mich danach erschöpft in den Regiestuhl sinken. Ein Film über verpasste Chancen. Natürlich schwarz-weiß.
Donnerstag, 19.3. / 20.30 Uhr
La Luz (http://laluz.de) (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit zwölf Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
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