Neue Zäune (von Frank Sorge)
Meist passiert mehr in dem Fenster vor mir, als in dem Fenster neben mir. Rechts hinaus sieht es immer gleich aus im Hinterhof, wenn er auch durch die Jahreszeiten anders dekoriert und coloriert ist. Geradezu in den "Windows" zur Welt flimmern ständig andere Texte, Filme und Bilder, so viele Vögel könnten gar nicht im Hof herumflattern, um mich nachhaltig abzulenken. Plötzlich aber klettert da ein Mensch im efeuumrankten Baum, zehn Meter über dem Boden. Er ist mit Klettergerät gesichert, an seiner Seite baumelt eine Kettensäge. Aus der Artistiknummer wird ein Massaker, der alte Baum im Hof wird zersägt, und der Efeu, der es gerade letztes Jahr bis auf meinen Balkon geschafft hatte, wird abgerissen. Nichts ist von Dauer.
Deutsche und Bäume, versuche ich mich in der Melancholie zu bremsen, wie typisch meine Reaktion doch ist. Und dann aber sehe ich im nahenden Frühling den irritierten Blick der Ringeltauben. Sie sitzen auf dem letzten verbliebenen Baum im Hof, und haben wie jedes Jahr Vermehrungsspaß auf den Ästen vor meinem Fenster. Nur eignen sich die verbliebenen kahlen Äste nicht für ihr Nest, das vormals im Schatten des Efeus lag. Trotzdem sitzen sie da und hoffen vielleicht darauf, dass ihr gewohnter Platz wieder erscheinen wird, sobald die Blätter sprießen.
Deutsche und Vögel, überlege ich, tirili und tanderadei, fast so schlimm wie mit den Bäumen - bremse mich also im Mitleid. Die werden schon was finden. Die Auslichtung unseres Hofs wurde vor allem wegen der alten Zäune vorangetrieben, die gleich nach dem Baum fallen. Drei Häuser teilen den Hof, ich bekomme einen Schreck, wie gut er plötzlich ganz ohne Zäune aussieht. Was für ein schöner Hof das ist, ohne die Abriegelung der Segmente, das war nie zu sehen. Einen halben Tag lang blicke ich auf die Utopie unseres offenen Hinterhofes, dann ist der erste Teil schon wieder durch neues Zaunwerk in die separierte Häßlichkeit zurückgeführt.
Und das ist dann auch so typisch, da fällt mir nichts mehr ein.
Donnerstag, 20.2. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20)
Die Brauseboys - frische Texte
Zurück im Wedding nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, auch 2014 jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
Gäste:
Marien Loha (Leser und Schreiber)
Sebastian Krämer ("Subtil heranschleichende Boshaftigkeit")
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