Man stellt sich an
Oh, wieder einer dieser Tage, an denen man sich an die falsche Supermarktkasse stellt. Obwohl es am Nachmittag ist und schon ein paar Tage weg vom Monatsanfang. Und fern vom Wochenende, und obwohl alle Kassenschlangen kurz sind. Gut, die ganz vorne haben einen Wagen vollgeladen, sieht man, denkt aber an diesen Tagen: "Mein Gott, ein Wagen, was kann da schon alles drin sein?" Aber es stellt sich heraus, dass sich auch in einem einzelnen Wagen so viel Zeug stapeln lässt, dass man dahinter verhungert und verdurstet. Wenn die Ladung zudem in mehreren Schüben bezahlt wird, verkompliziert durch merkwürdige Coupons, und mal bar, mal mit Karte.
Das ist alles mitbedacht, denkt man da, mit der modernen und ausgefeilten Supermarktlogistik, das muss ja alles immer schneller gehen. Und über den Gedanken wird man kahl und grauhaarig. Was hatte man nicht alles noch vorgehabt, Kinder, Hausbau, Reisen um die Welt, und mit jeder Minute wächst die Gewissheit, das alles auf ein diffuses Nachleben in späteren Generationen verschieben zu müssen. An der Kasse nebenan strömen sie im Minutentakt vorbei, es macht Pling-Zack und man wünscht sich "Auf Wiedersehen". Nur kurz schauen sie herüber, das Mitleid unverholen im Blick, und die Erleichterung, dass man vom Schicksal der bedauernswerten Kreaturen nebenan verschont geblieben ist.
Natürlich hatten diese, in grauer Vorzeit, auch einmal erwogen, auszuscheren und dem Elend durch einen Kassentausch zu entrinnen, aber dieser Impuls ist längst gebrochen. Wenn man einen Berg besteigt, geht man ihn auch wieder herunter, denkt man in einem letzten Aufglimmen des Lebenswillens gelassen auf das immergleiche Ende des Einkaufswagens vor einem. Hätte nicht auch nebenan alles jederzeit passieren können? Ein Storno, ungültige Karten und vieles mehr.
Eine Frau bittet mich zur Seite, sie will ohne etwas zu kaufen vorbei. Leider ist sie zu kräftig, um zwischen Wagen und Stange vor uns ins Freie gelangen zu können, sie hängt mit uns fest. Nach ein paar Jahren stellten wir uns einander vor und bekamen Kinder. Als wir an der Reihe waren, schoben wir unseren Wagen schließlich mit unseren Enkeln nach draußen. Und da alles darin längst vergammelt war, kehrten wir um, luden ihn voll und stellten uns wieder an.
Donnerstag, 9.8. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
Die Brauseboys
Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, jeden Donnerstag mit neuen Texten. Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann, Heiko Werning und Gäste lesen was vor.
Gäste:
Meikel Neid (ist ein Netter): www.meikelneid.de
Sylvia, die Unvollendete (ist eine Chansonette): www.die-unvollendete.com
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