Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 9.8.: Vollendet


Man stellt sich an

Oh, wieder einer dieser Tage, an denen man sich an die falsche Supermarktkasse stellt. Obwohl es am Nachmittag ist und schon ein paar Tage weg vom Monatsanfang. Und fern vom Wochenende, und obwohl alle Kassenschlangen kurz sind. Gut, die ganz vorne haben einen Wagen vollgeladen, sieht man, denkt aber an diesen Tagen: "Mein Gott, ein Wagen, was kann da schon alles drin sein?" Aber es stellt sich heraus, dass sich auch in einem einzelnen Wagen so viel Zeug stapeln lässt, dass man dahinter verhungert und verdurstet. Wenn die Ladung zudem in mehreren Schüben bezahlt wird, verkompliziert durch merkwürdige Coupons, und mal bar, mal mit Karte.
Das ist alles mitbedacht, denkt man da, mit der modernen und ausgefeilten Supermarktlogistik, das muss ja alles immer schneller gehen. Und über den Gedanken wird man kahl und grauhaarig. Was hatte man nicht alles noch vorgehabt, Kinder, Hausbau, Reisen um die Welt, und mit jeder Minute wächst die Gewissheit, das alles auf ein diffuses Nachleben in späteren Generationen verschieben zu müssen. An der Kasse nebenan strömen sie im Minutentakt vorbei, es macht Pling-Zack und man wünscht sich "Auf Wiedersehen". Nur kurz schauen sie herüber, das Mitleid unverholen im Blick, und die Erleichterung, dass man vom Schicksal der bedauernswerten Kreaturen nebenan verschont geblieben ist.
Natürlich hatten diese, in grauer Vorzeit, auch einmal erwogen, auszuscheren und dem Elend durch einen Kassentausch zu entrinnen, aber dieser Impuls ist längst gebrochen. Wenn man einen Berg besteigt, geht man ihn auch wieder herunter, denkt man in einem letzten Aufglimmen des Lebenswillens gelassen auf das immergleiche Ende des Einkaufswagens vor einem. Hätte nicht auch nebenan alles jederzeit passieren können? Ein Storno, ungültige Karten und vieles mehr.
Eine Frau bittet mich zur Seite, sie will ohne etwas zu kaufen vorbei. Leider ist sie zu kräftig, um zwischen Wagen und Stange vor uns ins Freie gelangen zu können, sie hängt mit uns fest. Nach ein paar Jahren stellten wir uns einander vor und bekamen Kinder. Als wir an der Reihe waren, schoben wir unseren Wagen schließlich mit unseren Enkeln nach draußen. Und da alles darin längst vergammelt war, kehrten wir um, luden ihn voll und stellten uns wieder an.

~#~#~#~#~#~#~#~#
Donnerstag, 9.8. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)

Die Brauseboys
Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, jeden Donnerstag mit neuen Texten. Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann, Heiko Werning und Gäste lesen was vor.

Gäste:
Meikel Neid (ist ein Netter): www.meikelneid.de
Sylvia, die Unvollendete (ist eine Chansonette): www.die-unvollendete.com 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer sc...

Saisonauftakt! Brauseboys am 5.9. (20 Uhr) mit Ruth Herzberg & Frau Rotkohl

Die Wahlergebnisse (von Frank Sorge)   Stillstand. Spaltung. Scham. Trotz. Winterurlaub im Erzgebirge fällt eher aus. Bangen um Brandenburg. Wird es Braunenburg? Mauer um Berlin doch eine Option? Mauer im Kopf ausreichend. Brandmauer nicht. Täuschung und Enttäuschung. ­ Brauseboys am Donnerstag, 5.9. (20 Uhr) mit Ruth Herzberg und Frau Rotkohl   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Das war sie also, unsere Sommerpause, und jetzt ist sie nicht mehr. Wir haben uns so was von erholt und strotzen vor Energie und Tatendrang. Was diese Solarenergie alles kann, es ist erstaunlich. Also reden wir nicht lang drumherum, der Saisonauftakt steht schon vor der Tür - in dieser Woche! Dann geht es weiter jeden Donnerstag im Haus der Sinne mit fangfrischen Texten, handwarmen Liedern und sprudelnder Heiterkeit. Wie immer mit fabulösen Gästen, zum Start freuen wir uns auf intensiv-ironische Texte von Ruth Herzberg und freimütig-alberne Lieder von Frau Rotkohl .

Brauseboys am 11.7. (20 Uhr) mit Martin Hyun & Herr Horst

Premium-Service (von Frank Sorge)   Der Paketbote schickt mich mal wieder durch den Kiez, mal dorthin, mal rundherum durchs Dorf und in die Binsen. Jemand hat ganz offenbar nicht den Job, den jemand machen möchte, denn hier im Haus ist eigentlich immer jemand da, im Zweifel ich. Natürlich kann ich ein Klingeln überhören, aber wenn das monatelang nicht vorkommt, und dann plötzlich in Serie, wird der Herr Kommissar stutzig. Wo waren Sie um 13:47 Uhr am Samstag? Leider steht Aussage gegen Aussage. Die letzte Nuss war hart zu knacken. Die Behauptung, bei der Zustellung wäre etwas schiefgegangen, ein angekündigter nächster Versuch, der nie unternommen wurde, dann in mittlerweile geübter Eigenrecherche und nach mehreren Irrwegen eine mögliche Adresse, wo es hinterlegt war. “Ich hatte etwas Mühe, im Internet herauszufinden, dass mein Paket vermutlich bei Ihnen ist”, sage ich der freundlichen Berlinerin hinter dem Tresen. “Allet klar, ick brauch nur ihr’n Ausweis.” “Bitte! Kam kein Bote, ...