Zwick mich
Zwickau ist kompliziert. Man kann mit der Vogtlandbahn bis fast ins
Zentrum fahren, zwei Stationen vorher ist jedoch der Hauptbahnhof, von
dem aus man in andere Richtungen umsteigen muss. Erst einmal ist es sehr
irritierend, dass die Bahn plötzlich in die Stadt hineinfährt, aber man
gewöhnt sich schnell daran. Auf den gleichen Schienen wie die
Straßenbahn rollt man so an eine Haltestelle der Innenstadt und ist
gleich da, wo es was zu sehen gibt. Einen Dom zum Beispiel oder die
Zwickau-Arkaden der neuesten Arkaden-Klongeneration. Am Zwickauer
Hauptbahnhof landet man hingegen im Nichts, noch dazu trifft es uns auf
dem Rückweg, zum Umsteigen eine geschlagene Stunde hier warten zu müssen.
Merkwürdiger Bahnhof, fällt uns beim ersten Durchschreiten auf,
martialische Figuren und die Halle hat so merkwürdige Säulen und
Proportionen. Wir tippen auf eine Bauzeit in den dreißiger Jahren, einen
Nazibau, und draußen finden wir beim Rauchen an der Fassade auch zwei
leergeräumte Sockel, auf denen sicher mal so steierne Flattervögel
saßen. Ein Typ in Springerstiefeln raucht unweit von uns unter den
Wartenden, noch ein Blankokopf trinkt Bier am Stehtisch, Polizisten
flanieren, und da fällt es mir erst auf. "Verdammt", denke ich, "wir
sind ja in Zwickau. Dem Zwickau. Zwick mich, wir sind in Zwickau."
In Zwickau fällt es einem garnicht auf, in Zwickau zu sein, erst draußen
am Hauptbahnhof. Offenbar zieht Naziarchitektur Nazis an, überlege ich.
Um denen Herr zu werden, könnte man den Bahnhof mit größeren Mengen Bier
vielleicht zu einer Art Wespenfalle umfunktionieren. Durch die
Haupthalle kommen sie dann hinein, rutschen die ersten mit Bier
gefluteten Stufen hinab und sammeln sich im Untergrund. Was man dort
dann mit ihnen anfangen sollte, müsste man aber noch überlegen. Im
Wikipedia-Artikel zum Bahnhof (Eröffnung 1936) wird er als
"verklinkerter Kuppelbau in den klaren Linien des Bauhausstils der zu
Ende gehenden 20er Jahre" beschrieben". Das finde ich mindestens leicht
beschönigend. Im nächsten Jahr soll der Bahnverkehr hier weiter
ausgebaut werden, meine Idee wäre, zu dieser Gelegenheit zwei
Gummihühner auf die Sockel draußen zu montieren, den Figuren drinnen
Bärte aufzusetzen und die "Hartbrand-Glasurziegel" großflächig bunt mit
Blumen zu bemalen. Es kann nur hübscher werden, als es ist.
Donnerstag, 23.2. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
Die Brauseboys
Jeden Donnerstag mit neuen Texten. Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert
Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann, Heiko Werning und Gäste lesen was vor.
Gäste:
Jacinta Nandi (Surfpoetin): www.jacinta-nandi.de
Jochen Reinecke (schreibt vom Leben): www.jochenreinecke.de
Karl Neukauf und Kollegen (Blicke vom Balkon): www.karlneukauf.de
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