Alb und Traum (von Frank Sorge)
Ungläubig lese ich die Email nochmal, ich muss mich konzentrieren, nicht, dass ich etwas missverstehe und falsche Hoffnungen wecke. "Liebe Eltern... letzter Tag... Abschied von älteren Schülern... feierlich... daher Zeugnisausgabe und Unterrichtsbeginn erst ab 9..." Steht das da wirklich? Ich hole die Lesebrille, ja, mit Brille das gleiche. Unglaublich, ich informiere die Familie, erst Schock, dann Staunen, dann tanzen wir wild durch die Zimmer. Einmal nicht um 8 in der Schule sein, nach einem ganzen Jahr, das wir das noch erleben. Seit Monaten klagt mein Sohn morgens "Warum kann die Schule nicht um 9 anfangen?", und wir wissen es alle auch nicht, schieben und drängeln, selbst völlig übermüdet. Man muss mit Wünschen einfach hartnäckig sein, bevor sie in Erfüllung gehen, heute ist der Tag. Entspannt wachen wir um 8 auf, keiner klagt, Punkt 9 stehen wir auf der Matte.
"Sie sind sehr aufgeregt wegen ihrer Zeugnisse", sage ich der Lehrerin und will mich gerade zur Tür umwenden, da höre ich: "Ihre Kinder kriegen doch keine Zeugnisse, heute bekommen die Eltern Zeugnisse. Geht schon mal raus, Kinder, schließt von außen ab." Mit einem Knall schließt sich die Tür, die Kinder sind alle plötzlich verschwunden, Fluchtreflexe werden unterdrückt. "Setzen Sie sich lieber, machen Sie sich auf einiges gefasst", sagt die Lehrerin, "Sie dachten vielleicht, Sie wären fein raus aus dem Schneider, unbemerkt an der Seitenlinie, aber da muss ich Sie enttäuschen. Jetzt wird abgerechnet, und zwar mit Ihnen - nicht ganz das Jüngste Gericht, aber so knapp davor. Herr Sorge?"
"Ja?"
"Schwamm auswaschen, Tafeldienst!"
Ich wache auf, schüttele den Traum ab, fünf nach Acht, langsam müssen wir uns doch beeilen. Einmal noch, dann haben alle ein paar Wochen Ruhe voneinander, und Zeit, das Jahr in die Ferne zu rücken. War doch alles nicht so schlimm, höre ich meinem Gehirn dabei zu, die Erinnerungen in Watte zu packen. Und das kleine gehörnte Männchen auf meiner Schulter flüstert mir ins Ohr: "Freuen Sie sich nicht zu früh, junger Mann, das war erst der Anfang."
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Donnerstag, 7.7. /20 Uhr
Kulturfabrik Moabit (Lehrter Str. 35)
Die Brauseboys am 7.7. im Windlicht: Open Air mit Axl Makana & Meikel Neid
Es gibt viele Tipps, was man mit dem 9-Euro-Ticket so veranstalten kann. Zu Christian Lindners Hochzeit fahren, generell Sylt verunsichern, entlegene Badeseen abklappern. Der beste Tipp ist aber natürlich, den abendlichen Nahverkehr am Donnerstagabend für einen Abstecher nach Moabit zu nutzen, denn das Gute liegt so nah. Auch aus dem Wedding, das können wir euch durch zweijähriges An- und Abreisen versichern, das ist ein sprichwörtlicher Katzensprung, mit Rad, zu Bus, zu Fuß. Im Windlicht im Hinterhof der Kufa gibt es dann alles, was man Überlebenswichtiges an einem Sommerabend braucht: Kalte Getränke, warme Worte, frische Brisen, belebende Klänge. Im Moment ist zwar noch Regen angesagt, aber holla die Wetterfee, wie oft war der in den letzten Wochen angesagt und kam nicht? Wir sind also gelassen, vor allem weil wir den dicken Wolken von drinnen im Slaughterhouse eine Nase ziehen können. Machen wir das Open Air halt innen. Dort wie draußen gelten unsere eigenverantwortlichen Coronaregeln: 'Kontrolliert euch bitte selbst, gewissenhaft, kommt nicht positiv, und es ist ausdrücklich erlaubt, Maske zu tragen!'. Diese Woche begrüßen wir Meikel Neid von den Freunden von 'LSD-Liebe statt Drogen' und den 'Barden von Poel', den legendären Sänger von Mutabor: Axl Makana.
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