Wie immer nichts (von Frank Sorge)
Beim Einkaufen bin ich direkt überrascht, dass einige Flaschen Speiseöl im Regal sind. Ich sehe mich verstohlen um, keine versteckte Kamera ist zu sehen, und lege eine Flasche in den Einkaufswagen. An der Kasse dann, während meine Sachen gescannt werden, kommt eine Frau von draußen heran und fragt die Kassierin, ob sie Öl hätten.
"Nein", sagt die, "wo denken Sie hin, alles leer, alles weg, seit Tagen. Kein Mehl, kein Öl."
Kann sein, dass sie kurz davor oder danach meine Flasche über den Scanner zieht. Ich bin zu verdutzt, um schnell zu widersprechen. "Nein, gehen Sie rein, da sind einige...", zu schnell ist die Frau wieder davongeeilt, um es woanders zu versuchen. Die Kassierin schaut nicht auf, keine Miene verzieht ihr Gesicht, meine einzige Erklärung ist, sie glaubt wirklich, dass nichts da ist. Die Frau von draußen ist ihren Erwartungen auch vorausgeeilt, so schnell, wie sie wieder raus ist. Mit ein wenig Hoffnung hätte sie nachfragen können: "Wirklich?" Dann hätte ich Zeit gehabt zu sagen: "Vor ein paar Minuten war noch genug da", und meine eigene Flasche zum Beweis präsentiert. Ihre Suche wäre am Ziel gewesen, die Kassierin hätte gelernt, Erwartungen zu hinterfragen, und ich hätte eine wunderbare Geschichte über Aufmerksamkeit und Verständigung erlebt und niedergeschrieben.
Stattdessen wie immer nichts.
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Donnerstag, 28.4. /20 Uhr
Kulturfabrik Moabit (Lehrter Str. 35)
Die Brauseboys am 28.4. im Slaughterhouse: Live mit Sebastian Krämer
Fast schon ist ein Drittel des Jahres rum... Das klingt bedrohlicher, als es hoffentlich ist, denn ein Drittel vorbei bedeutet ja auch, ein Drittel ist überstanden, es ist also möglich, dieses Jahr optimistisch in die Zukunft zu schauen. Leicht ist das nicht, denn kaum hat man mal einen kurzen Moment nicht an die Weltlage gedacht, fängt wieder einer mit dem Atomkrieg an. Mann ey, gerade freut man sich noch, eine Flasche Rapsöl im Discounter abbekommen zu haben, denkt man schon wieder an den Untergang der Menschheit. Mittlerweile sind wir viel schlauer als vor hundert oder tausend Jahren, aber es reicht offenbar nicht, in wieder hundert Jahren spätestens wird man nachlesen können, wie schlau wir waren. Was dann dort steht über uns, weiß niemand, aber es ist meine dringende Vermutung, der Kommentar wird ernüchternd und eindeutig. Jedoch in einer Fußnote, irgendwo tief vergraben im Buch der Tage, wird man etwas positives über uns in Moabit finden, ganz sicher, z.B. 'aber auf Lesebühnen funktionierte das erstaunlicherweise mit der Eigenverantwortung in Sachen Corona'. Uns wundert das nicht, denn wir kennen und schätzen unser Publikum für die mitgebrachte Vernunft, Lebensfreude und Lässigkeit. Da schreiben wir nur an die Wand: Kontrolliert euch bitte selbst, gewissenhaft, kommt nicht positiv, und es ist ausdrücklich erlaubt, Maske zu tragen! Wir bleiben friedlich, verknappen nichts, finden weiterhin jeden Donnerstag statt, und haben diese Woche den vielfachen Kabarettpreisträger Sebastian Krämer zu Gast. Hossa auf die Hoffnung!
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