Man lässt, was man kann (von Frank Sorge)
Es ist natürlich nachvollziehbar, dass Kneipenwirte fordern, die Kneipen zu öffnen, wenn die schon geöffneten Gaststätten als Kneipe genutzt werden, weil keine Kneipen geöffnet sind. Intuitiv ist jedoch einzusehen, dass drei Halbe einen Menschen unvorsichtiger machen als ein Nackensteak oder ein Teller Bratkartoffeln. Gerade die, die nach drei Halben erst anfangen. Auch gesprächiger macht das Trinken, denn nach viel Essen wird man eher stumm und schläft ein. Von den Kalorien her macht es wiederum keinen Unterschied und Essen ist genauso gesellig. An einen Tisch setzt man dennoch höchstens eine Familie, die ganze Familie am Kneipentisch wiederum wäre für viele aber genau der Grund, doch nicht in die Kneipe zu wollen. Es ist kompliziert, ich kenne das hier zu Hause, warum darf der das und ich nicht? Völlig außer Acht lässt man allerdings die, die schon dürfen, aber noch gar nicht wollen. Die auch nicht demonstrieren wollen, denn sie wollen ja nicht zusammen raus, sie wollen nichts aufmachen, die wollen auch nicht laut Forderungen stellen, schon allein wegen der Aerosole.
Ich rege mich nicht zu sehr auf über die in der Tram, denen alles und jeder egal ist, sie sind mir im Zweifel genauso egal dann, aber da es jetzt schon jeder vierte oder fünfte ist, werde ich garantiert noch viel weniger Tram fahren als davor. Wenn irgendwas aufmacht, mag ich dort eigentlich im Moment genau deshalb nicht hingehen, weil es aufmacht. Aber für wen macht man dann auf? Für die, die sowieso die Vorsicht fahren lassen wollen? Dann wäre es kein Wunder, was man so draußen an Unvorsicht sieht. Aber könnte man nicht die drinnen lassen, die drinnen sein wollen? Ich meine jetzt auch mit Geld, und nicht nur mit Angst. Ich fände Einsiedlerprämien gut, bessere Steuerklassen für ausgedehntes Homeoffice, Grundsicherung für Künstler, die in Ruhe über den ganzen Mist in ihren Kreativnestern Romane, Alben und Skulpturengärten ausbrüten könnten, mit insgesamt ein paar mehr Themen als Klagen, Verzweiflung und Kapitalismuskritik. Schön naiv natürlich, nach systemrelevant kommt erstmal umsatzrelevant, und gegen Ende bleibt vielleicht irgendwas künstlerisch relevant. Oder auch nichts, denn wer will sich schon daran erinnern?
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Donnerstag, 28.5.20 / 20.30 Uhr
Facebook Livestream (Öffentlich, Internet)
Die Brauseboys - Lesebühne im Wedding - Herzen im Strom!
Seit siebzehn Jahren jede Woche neue Texte, Betrachtungen, Musik und belebende Heiterkeit, seit Beginn der Isolation im Livestream der Herzen. Die, die auf dem Bildschirm fliegen, wenn ihr sie drückt, also anklickt, was wir erst so zwanzig oder dreißig Sekunden später sehen, was uns aber ein herzlich warmes Gefühl bereitet. Wenn man dann die Augen schließt und eine große Muschel ans Ohr hält, hört man über das Rauschen des Datenozeans hinweg so etwas wie Applaus. Es gibt noch keine Neuigkeiten, wenn es anders wieder geht, aber der Stream reisst nicht ab. Am Donnerstag wieder live und in Farbe auf Facebook. Schaltet ein, und lasst euch was vorlesen.
Ab 20.15 Uhr einschaltbar auf unserer Facebook-Seite, auch ohne Account. Der Livestream wird archiviert und kann später nachgeschaut werden.
Wer den Eintritt von 8,- Euro (ermäßigt 5,-) zahlen möchte, ist herzlich dazu eingeladen, via Paypal an hutspende@brauseboys.de zu spenden (Paypal-Account von Volker Surmanns Satyr-Verlag).
Alternativ per Überweisung an Nils Heinrich mit Verwendungszweck 'Brauseboys'
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