Isoliertes Bahnfahren (von Frank Sorge)
Ich fahre mit der Bahn in eine andere Stadt, und das wäre ja sonst nur diese Bemerkung wert, aber es ist Pandemie, da ist nichts so, wie es war. Als ich beim Hauptbahnhof ankomme, schon das erste Verblüffen darüber, dass hier überhaupt Zugbetrieb ist. Klar, ich habe schon eine Fahrkarte gebucht und gehe davon aus, dass alles fährt wie gedacht. Aber das haben auch die gedacht, die irgendwann eine Karte für die Ärzte oder Rammstein gekauft haben. Ich halte es jederzeit für möglich, dass die Fahrkarte in die Luft gekauft war.
Der Zug hat immerhin eine halbe Stunde Verspätung, wird mir angezeigt, ein Anker zur Normalität. An der Menge der Fahrgäste liegt es nicht, überlege ich, als ich mir irgendeines der leeren Abteile aussuche, die Schuhe abstreife, die Füße hochlege und meinen 'Komfort-Check-In' mache wie empfohlen Bis Hamburg sehe ich nur zweimal Menschen am Abteil vorbeigehen. Einmal den Schaffner, der auf seinem Gerät sieht, dass ich mich schon selbst um seine Aufgabe gekümmert habe, und dann den Schaffner, der irgendwann wieder zurück zu seinem Abteil geht. Die Mikrofonansage hingegen wirkt, als säßen wir zu Tausenden auf einer Wiese und gleich würde Jimi Hendrix spielen. Mit markigen Worten preist der Zugchef die Mitarbeiter, die Fahrgäste, die Bahn, die ganze Welt und wünscht uns eine außerordentlich gute Reise, mit euphorisiertem Vibrieren in der Stimme schaltet er das Mikro wieder aus. Aber ich kenne das gut: Wenn nur ganz wenige da sind, probiert man am Mikrofon eher mal was aus.
Durch die Verspätung verpasse ich meinen Anschluss und steige auf den Zug eines regionalen Unternehmens um. Thank you for letting me not choose Deutsche Bahn again. Hier schlägt die Zugchefin einen anderen Ton an: „Liebe Fahrgäste, in diesem Zug herrscht... ach wissen Sie, herrscht, das klingt ja immer so blöd…“ Sie überlegt. „Es ist uns wichtig, dass Sie auf der ganzen Fahrt einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Wir machen das auch. Bitte tragen Sie ihn nicht: Unter dem Kinn, unter der Nase, am Ohr, auf dem Kopf, in der Hand oder in der Tasche, sondern bitte so, wie er gedacht ist. Es geht ja um unsere Gesundheit, oder?“ Die rhetorische Frage verhallt ohne Reaktion, aber hätte ich irgendwo einen Like zur Performance drücken können, hätte ich das auch gemacht.
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Donnerstag, 21.5.20 / 20.30 Uhr
Facebook Livestream (Öffentlich, Internet)
Die Brauseboys - Lesebühne im Wedding - Himmelfahrtsstrom!
Seit siebzehn Jahren jede Woche neue Texte, Betrachtungen, Musik und belebende Heiterkeit, seit Beginn der Isolation im Livestream der Herzen. Wann wir wieder aus dem Echsenstudio rauskommen (wo es immer schön warm ist und wir täglich frischen Salat bekommen), das wissen wir nicht, aber bald vielleicht. Es steht in den Sternen, wir können es nur noch nicht entziffern. Wir sehen das jetzt irgendwie gelockert, ihr auch? Natürlich wollen wir, dass einzig gute Laune und Lachen dabei dann ansteckend sind, wenn es soweit ist, wie bei unserer - tada! - zehnten Livestrom-Show. An diesem Donnerstag stecken wir uns also weiterhin virtuelle Zweige hinters Ohr, wenn die Kinder schlafen, und trinken unser Himmelfahrtsfass aus dem Eschenbräu unter Beobachtung aus dem Internet, bevor wir in die Maske summend am Vatertag der Gedanken nach Hause schlendern. Bei den meisten ist das gar nicht weit. Schaltet ein, und lasst euch was vorlesen.
Ab 20.15 Uhr einschaltbar auf unserer Facebook-Seite, auch ohne Account. Der Livestream wird archiviert und kann später nachgeschaut werden.
Wer den Eintritt von 8,- Euro (ermäßigt 5,-) zahlen möchte, ist herzlich dazu eingeladen, via Paypal an hutspende@brauseboys.de zu spenden (Paypal-Account von Volker Surmanns Satyr-Verlag).
Alternativ per Überweisung an Nils Heinrich mit Verwendungszweck 'Brauseboys'
IBAN DE52 5005 0201 1240 6229 00
BIC: HELADEF1822
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