Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 12.10.: Bücher einer Ausstellung

Der lustige Mann aus Hessen (von Frank Sorge)

Es ist ja schon komisch, nicht im Supermarkt zu sein, in dem man immer ist. Als ich im Netto Eier besorge, stellt sich dazu ein Mann hinter mich, der mich breit anlächelt. Er steht etwas zu nah, glotzt über meine Schulter, auf meinen fragenden Blick gluckst er. "Ach, nichts", sagt er, "ich freue mich nur."
Dabei könnte er es belassen, finde ich. Freut mich, dass er sich freut, am liebsten noch einen halben Meter weiter entfernt. "Ha", sagt er zu sich, aber ich soll dennoch reagieren, "keine Panik, ich bin ja bald wieder weg."
"Aha", reagiere ich, irgendein Problem an der Kasse deutet sich an.
"Ich bin aus Hessen", sagt er und stellt zwei Flachmänner Pfeffi aufs Band, "und war jetzt eine Woche schon in Berlin." Sachen gibts, überlege ich, die gibts leider einfach. Ich muss ernsthaft mal in den Spiegel schauen, warum so Leute gern an mir hängenbleiben.
"Mannomann", sagt der lustige Mann aus Hessen, "ich hab hier in der Woche Sachen erlebt, das glaubst du gar nicht. Aber in zwei Tagen gehts zurück." Er kichert und schiebt nach: "Endlich dann wieder normale Leute." Jetzt ziehe ich doch eine Augenbraue hoch und reagiere: "In Hessen?"
"Ja, ja", beteuert er, "so viele merkwürdige Leute auf einen Haufen, das gibt's nur hier."
Kein Wunder, überlege ich, wenn die merkwürdigen Leute von woanders lieber nach Berlin fahren, um dort sich über merkwürdige Leute zu wundern, die vielleicht sämtlichst auch hier sind, um sich über merkwürdige Leute zu wundern. Seine Fahne wird nicht angenehmer, während wir den Ausführungen der Kassierin über Bonussysteme und deren Einlösungsbedingungen lauschen, die sie breit einer verwirrten Kundin erklärt.
"Das war, Mannomann", er ringt mit den Worten, "das war so verrückt, da kannst du echt ein Buch drüber schreiben. Ja, ich könnte da locker ein Buch drüber schreiben." Mit einem Lächeln denkt er darüber nach und schaut in die Ferne der Regalreihen. "Das mache ich", sagt er, grinst, lacht.
Glückwunsch, denke ich, einen Leser hast du schon verloren. 
~#~#~#~#~#~#~#~#
Donnerstag, 12.10. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)


Die Brauseboys - Frische Texte & Talk
Jeden Donnerstag nehmen Thilo Bock, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern.  Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit vierzehn Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen. 

Daniel Hoth (Peace, Love & Poetry)
Thomas Franz (Eisbecher mit der Post)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer schwer

Brauseboys am 4.7. (20 Uhr) mit Ahne und dem Kreuzmusik-Duo

Zeitstrudel (von Frank Sorge)   Auch im Wedding merkt man, dass die Ferienzeit beginnt. Überall ortsfremde junge Menschen mit Reiserucksäcken, in der Liebenwalder am Hostel heute ein ständiger Strom von Abiturientinnen und Abiturienten aus anderen Bundesländern. Der traditionelle Berlinbesuch zum Schulabschluss, er besteht offenkundig fort.  Als ich spät noch zwei Bier vom Späti hole, kommen sie mir auf dem Rückweg entgegen. Erst gucken sie mich verstohlen an, den wirren Streuner mit den zwei Bierflaschen, vor den leuchtenden Fenstern von Falafelladen und Casino, dann sehen sie hinter mir die kleine Spätkauf-Arena, die sich vor dem Laden draußen um den Fernseher gebildet hat. Denn es ist EM und ein Türkei-Spiel, und wenn es der Öffentlich-Rechtliche Fernsehfunk nicht zeigt, dann macht es der Spätkauf und kein Anwohner und kein Ordnungsamt löst die Arena auf, Ehrensache! Aber es ist lustig, wie die Augen der jungen Berlinbesucher aufgerissen sind. Als würden sie dahinter denken: Was hi

Brauseboys am 20.6. (20 Uhr) mit Tilman Birr & Yunas im Haus der Sinne

Isla del Balkonia (von Frank Sorge)   Was soll ich auf der Alm, im Diesel-Traktorqualm? Was zieht dich noch nach Sylt, der braune Strand? Dass man im Wedding besser chillt, liegt wohl auf der Hand.   Überhaupt in der Natur, störst du im Zweifel nur. Zertrampelst Käfer auf Waldwegen, scheuchst Rehe ins Gebüsch, bist jedem Mückenschwarm erlegen auf der Jagd nach fremden Fisch.   Ich häng heute lieber schlapp auf Isla del Balkonia ab. Im Schatten der Hängegeranien, mit Windrad, Hanfblüte und Grill, ein Buch über Transsylvanien, und mittags schon ein Promille. ­ Brauseboys am Donnerstag, 20.6. (20 Uhr) mit Tilman Birr & Yunas   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Oleole, das Lesebühnenfieber hält an! Die emotionalsten Texte, die schnellsten Pointenjäger, jede Begegnung ein Knüller, Public Hearings, sympathische Mannschaften, ein Sommerliteraturmärchen! Wir haben sportliche, neue Texte geschrieben und beabsichtigen, diese in der Euphoriekurve des Stadions Haus der Sinne ordentlich zu sk