Wir vom Milieu (von Frank Sorge)
Es klingelt an der Wohnungstür.
"Ja, hallo?", frage ich durch die geschlossene Tür.
"Hätten Sie kurz Zeit?"
"Äh... nein, wissen Sie, es ist so... diese Wohnung ist Satan geweiht und wir sind jetzt leider wirklich mitten in einer Beschwörung."
"Wir sind keine Zeugen Jehovas, wir sind vom Milieuschutz."
"Ach, so", ich öffne die Tür, "guten Tag."
"Sicher haben Sie gehört, dass ihre Straße jetzt zum Milieuschutzgebiet erklärt worden ist. Wir wollten uns nur kurz vorstellen."
"Sehr schön, ich habe davon gehört."
"Neben dem Schutz Ihrer Mieterrechte ist es auch unser Ziel, den ursprünglichen Flair des Weddings zu erhalten. Wenn Sie erlauben, hier ein paar kurze Hinweise."
"Okay."
"Der Flur vor Ihrer Wohnung ist doch sehr aufgeräumt, ist uns aufgefallen, wenn Sie noch eine Pappkiste oder dergleichen hätten und ein bisschen Unrat zum Rausstellen, wäre es gleich viel heimeliger."
"Unrat? Sie meinen Müll?"
"Ja, zum Beispiel. Wenn Sie ihre vollen Tüten erst einmal hier herausstellen würden."
"Aber da beschwert sich unser Hausmeister."
"Das ist rechtlich jetzt anders mit dem Milieuschutz, Sie können sich jederzeit darauf berufen."
"Interessant."
"Das hilft auch, die Mieten nachhaltig unten zu halten, darüber hinaus: Kochen Sie?"
"Ja, schon, beinahe jeden Tag."
"Dann empfehlen wir unbedingt, in den Flur zu lüften."
"Aha, bei offener Tür."
"Ja, aber auch nicht zu viel, Lüften wird generell überbewertet."
"Gibt es da irgendwie eine Übersicht, was sich da jetzt rechtlich ändert?"
"Ja, die Broschüre haben wir dabei, mit den wichtigsten Tipps und hier ist auch ein Kalender mit unseren Kursangeboten. Wenn Sie Interesse haben. Da Sie ganz zu Beginn ja durch die Tür schon ganz mileugerecht gehandelt haben, darf ich fragen, sind Sie geborener Berliner?"
"Äh, ja."
"Ah, das merkt man gleich. Dann wird das meiste nicht unbedingt was Neues für Sie sein, aber wenn Sie wollen, wir haben auch Unfreundlichkeitskurse zum Auffrischen."
"War ich denn zu freundlich?"
"Na ja, ein wenig, aber wir wollen gar nichts vorschreiben, nur empfehlen. Bei Besuchen wie unseren muss man ja nicht unmittelbar ins Gespräch kommen. Tür zuschlagen und 'Verpisst Euch, Ihr Arschgeigen!' rufen ist so einer der Empfehlungen, wir haben da auch so Klebezettel für die Tür zur Erinnerung."
"Die könnt Ihr euch sonstwo hinstecken."
"Sehr nett, kein Problem."
"Gibts umsonst. Macht jetzt mal langsam die Flocke bitte, ick hab zu tun."
"Na, klar. Ficken Sie sich ins Knie."
"Selber."
Man tut, was man kann.
Donnerstag, 4.2. / 20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit zwölf Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
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