Erzieherische Maßnahme (von Frank Sorge)
Ich sitze ohne die Kinder bei der Kinderärztin, um ein Rezept abzuholen. Das Wartezimmer direkt am Empfang ist voller Mütter mit Nachwuchs, ich werde zum Warten in den Flur geschickt. Da falle ich als Mann nicht so auf.
Ohne Kinder bei der Kinderärztin zu sitzen, fühlt sich merkwürdig an. Wie Bahnfahren ohne Fahrkarte, ein Termin bei der Auto-Werkstatt ohne Führerschein. Es wuseln aber genug Kinder umher, denen das egal ist, es herrscht Vätermangel. Plötzlich wird es warm an meiner Seite, ich drehe den Kopf und sehe einen kleinen Jungen neben mir sitzen, der sich vertraulich anlehnt und mich kurz adoptiert. 'Hammed' ruft eine Mutter und er verschwindet.
Der Geräuschpegel im Wartezimmer nebenan schwillt langsam an, ich kann mich im Flur kaum noch auf das Warten konzentrieren. Immer dichter wird das Gewühl aus Geplapper, Geschrei und Getobe, neue Patienten treffen ein. Der Dampfkessel läuft über und die Sprechstundenhilfe meldet sich diplomatisch zu Wort: "So geht das nicht, ich muss hier arbeiten und ich verstehe kein Wort. Ich brauche RUHE, JETZT, RUUUUHE!"
"Ich auch", sagt eine Mutter mit Kopftuch trocken nach einer Schrecksekunde. Ein paar Minuten Stille. "Wo ist denn der Papa mit dem Rezept?", höre ich von nebenan. Ich laufe ihr entgegen.
Donnerstag, 19.11. / 20.30 Uhr
Mastul (Liebenwalder Str. 33)
Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit zwölf Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.
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