Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 25.6.: Brausetalk Wedding

Ungewohnte Nähe (Robert Rescue)

Neuerdings erlebe ich so eine komische Freundlichkeit und Nähe, wenn ich beim Saray einen Döner bestelle. Einer der Spießschergen scheint mich in sein Herz geschlossen zu haben. »Wie geht es dir, mein Freund«, fragt er nach. »Kommst du von der Arbeit?« Beim ersten Mal habe ich geschwiegen und ihn irritiert angeschaut. Beim zweiten Mal habe ich mir gedacht, der Chef habe eine Freundlichkeitsoffensive gestartet und der eine sei der einzige, der versucht, sie umzusetzen. »Geht so«, habe ich wortkarg geantwortet und mir gedacht, ich müsse mal eine Weile mit dem Döner aussetzen, so lange, bis er mich nicht mehr kennt. Das geht schließlich zu weit mit dieser Freundlichkeit.
Vor kurzem war ich bei der Stehpizzeria »La Rosa«. Plötzlich sprach mich der Pizzaknecht an: »Seit ich vor drei Monaten mit dem Rauchen aufgehört habe, bin ich dicker geworden.«
Ich war vollkommen überfordert von seiner Anbiederung. War ich sein Onkel oder Bruder? Ich quälte mich zu einem Lächeln und meinte: »Dann musst du wieder anfangen mit dem Rauchen.« Anstatt sich jetzt wieder um die Essenszubereitung zu kümmern, fuhr er fort: »Ich kann mich kaum noch bücken und meine Schnürsenkel zubinden.«
Ich zuckte nur mit den Schultern.
Er unterließ jedes weitere Gespräch und ich nahm mir vor, diesen Laden so lange zu meiden, bis ich wieder mit der gewohnten Anonymität behandelt wurde.

~#~#~#~#~#~#~#~#
Donnerstag, 25.6. / 20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)

Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit zwölf Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen.

Eberhard Seidel (Projekt "Schule gegen Rassismus" und Döner-Forscher)
Johannes Ehrmann (Tagesspiegel-Wedding-Blog)
Dominique de Rivaz (Regisseurin, Radio-Autorin, Fotografin)
Johnny (Blog "Weddingweiser")
Musik von Lari und die Pausenmusik

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heiligabend mit den Brauseboys

Was ich mache, wenn ich nicht den Newsletter schreibe 1.) Eine Strichliste anlegen, wie oft ich das Wort Blitzeis im Radio höre. Überlegen, wie ich mit den Varianten "Blitzendes Eis", "Blitzkrieg", "Blitzer" und "geblitzt wird" umgehen soll. 2.) Pfefferkörner kaufen und in die Pfeffermühle bis zum Rand einkullern lassen, dann eine Brötchenhälfte mit Kassler und Käse belegen und mit Pfefferschrot schwärzen. Mich am frischen Duft der zerrissenen Splitter berauschen. 3.) Aus dem Fenster sehen. Auf der verbliebenen Schneedecke im Hof ist ein Vogel herumgelaufen, offenbar von schwerer innerer Verwirrung betroffen hat er stundenlang in vielfältigen Kreisen sein verstörendes Schneegemälde gemalt. 4.) Zeitung lesen und über Kopenhagen informieren. Der sudanesische Sprecher und "Bremser" heißt Lumumba Stanislaus Di-Aping. Die Ladezeit der Facebook-Fanseite von Thorsten Schäfer-Gümbel ist enorm. Er sagt: "Dem Schneckentempo

Brauseboys am 2.5. (20 Uhr) nebenan im REH mit Isobel Markus, Christoph Theußl und Hinark Husen

Kartenhaus (von Frank Sorge) Wenn man ein Kartenhaus baut, rechnet man ständig damit, dass es zusammenfällt. Es ist das Ziel der Beschäftigung, den unvermeidlichen Zusammensturz hinauszuzögern. Die Struktur des Kartenhauses ist nur die Visualisierung des Erfolges, je mehr Etagen es bekommt, je länger es hält. Zeit, Geduld und Geschick bekommen ein Muster, ein flüchtiges Gewebe, obwohl sie ja sonst so unfassbar sind. Dann macht jemand ein Fenster auf und es fällt zusammen. Ärgert man sich? Ja, weil es menschlich ist, und nein, weil man mit nichts anderem gerechnet hat. Warum mir das einfällt? Ach, einfach nur so, kein Bezug zur Gegenwart. Nein, ehrlich, oder seht ihr einen? Kartenhäuser baut man, um Zeit totzuschlagen, heute hat man die doch gar nicht mehr. Heute ist man erwachsen und baut andere Strukturen, mit anderen Zwecken, als dass sie zusammenfallen. Was mit Grundlage und Substanz, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse. Also ist es kein Problem, bei diesem Wetter überall die

Brauseboys am 9.5. (20 Uhr) mit Mimi Wohlleben im Haus der Sinne

Fern (von Frank Sorge) Was tut am Fern so weh? Wenn ich meinen Wedding seh, dann ham wir doch alles  und keinen Mangel im Speziellen.   Solang uns die BVG nicht im Stich lässt, erreicht man noch den ganzen Rest des Planeten zu jeder Tageszeit.   Ja, so jubeln die Stadtteilpoeten. Es ist immer ne Kneipe offen und ein Späti im Morgengrauen.   Türkische Backwaren warm aus dem Ofen, Fische aus fremden Ozeanen, Importmärkte aller Couleur.   Hier ist so viel Ferne,  die gibt’s woanders gar nicht. Wo kann es dich hinziehn, als immer nach Berlin? ­ Brauseboys am Donnerstag, 9.5. (20 Uhr) mit Mimi Wohlleben   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Ein wenig Sommergefühl tut unserer Stadt immer gut, aber die Phasen der Abkühlung sind auch wichtig. Da es absehbar weniger kühle Tage im Jahr werden, steigt sogar deren Bedeutung zur Erholung für Körper und Geist. Idealerweise sind derlei Tage mit einer inspirierenden Kulturveranstaltung gekrönt, die mit innerer Wärme ausgleicht, und was sollen wir sage