An der Grenze (von Frank Sorge)
Nun ist es soweit, unser Bus rollt an die Grenze zu den USA. Werden sie mich reinlassen, werden sie mich gleich erschießen oder mit der Tasche auf den Weg setzen? Nun ist meine juristische Weste ganz rein und weiß, und ich komme aus einem Land von “Freunden”, wie kürzlich wieder von Obama betont wurde. Eigentlich habe ich nichts zu befürchten. Außerdem haben wir uns ganz brav über das Internet vorangemeldet, über das Programm ESTA, ich surfe außerdem mit Chrome, benutze Facebook, Twitter und sende Emails normalerweise unverschlüsselt. Sie wissen also längst alles über mich.
Ich sitze in einem Linienbus, gefüllt mit Menschen aller Nationen, und draußen stolzieren US-amerikanische Grenzer herum, kurz sucht mich die Phantasie heim, ich wäre Edward Snowden und würde auf besonders perfide Weise meiner Entdeckung zu entkommen versuchen, indem ich als Frank Sorge wieder in die Heimat einreise. Will ich eigentlich in dieses Land, und will ich wieder raus, wenn ich einmal drin bin?
Die Prozedur ist erträglich und dauert nicht allzu lang, bis die ganze Busbesatzung geprüft ist. An etwa zehn Kabinen werden Fingerabdrücke genommen, Augen gescannt, DNA-Proben geschüttelt, Stimmmuster verglichen, Verhöre geführt. Wir gruseln uns aber sehr, als uns ein Mitarbeiter auffällt, der die ganze Zeit über unauffällig die Trennscheiben der Kabinen putzt. Er ist hager, und hat einen stieren Blick durch dicke Brillengläser, er lässt seinen Blick überall hin schweifen, während er die Scheiben säubert. Die sind es längst, in diesem Gewusel von Menschen fällt er uns aber als der einzige auf, der den Überblick behält. Er sieht wie wie der klassische Psychopath im Hollywood-Film aus, ein Freak, der jeden Moment unkontrollierbar wird. Kaum einer achtet auf ihn, aber er achtet auf uns alle, während er unaufällig die Scheiben putzt.
Zwei Möglichkeiten: Entweder er ist der Depp vom Dienst, und zu nichts anderem zu gebrauchen. Ein Honk, der wieder irgendwas Dummes gemacht hat, Einreisenden die Nase abzubeissen etwa, und jetzt dafür die Scheiben putzen muss. Oder er ist telepathisch begabter Spezialagent, der während vermeintlich beiläufiger Reinigungsarbeiten unsere innersten Motivationen ausleuchtet.
Plötzlich sieht er mich scharf an, und ich erschrecke vor diesem kalten, brutalen Blick. “Ich bin nicht Edward Snowden”, denke ich ganz bewußt, “war nur ein Scherz.”
Donnerstag, 29.8. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
BRAUSEBOYS POLITWOCHEN vom 29.8.-19.9.
Die Vorleseshow im Wedding mit Paul Bokowski, Hinark Husen, Frank Sorge, Robert Rescue, Volker Surmann und Heiko Werning feiert Spezial-Themenwochen zur Bundestagswahl. Jeden Donnerstag bis zur Wahl zwei politische Gäste - die Weddinger Direktkandidaten stellen sich vor und winden sich aus unseren investigativen Fragen. Zum Brauseboys-Kandidatencheck haben die Kandidaten für den Wahlkreis 75 (Mitte/Wedding) von den sechs wichtigsten Parteien fest zugesagt.
Gäste:
Therese Lehnen (Piraten - Direktkandidatin Mitte, Crew65): http://berlin.piratenpartei.de/2013/05/06/therese-lehnen/
Klaus Lederer (Die Linke - Berliner Landesvorsitzender): www.klauslederer.de
Marlen Pelny (ergreift Partei für die Musik): www.marlenpelny.wordpress.com
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