Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 29.8.: Start in die Politwochen

An der Grenze (von Frank Sorge)

Nun ist es soweit, unser Bus rollt an die Grenze zu den USA. Werden sie mich reinlassen, werden sie mich gleich erschießen oder mit der Tasche auf den Weg setzen? Nun ist meine juristische Weste ganz rein und weiß, und ich komme aus einem Land von “Freunden”, wie kürzlich wieder von Obama betont wurde. Eigentlich habe ich nichts zu befürchten. Außerdem haben wir uns ganz brav über das Internet vorangemeldet, über das Programm ESTA, ich surfe außerdem mit Chrome, benutze Facebook, Twitter und sende Emails normalerweise unverschlüsselt. Sie wissen also längst alles über mich.
Ich sitze in einem Linienbus, gefüllt mit Menschen aller Nationen, und draußen stolzieren US-amerikanische Grenzer herum, kurz sucht mich die Phantasie heim, ich wäre Edward Snowden und würde auf besonders perfide Weise meiner Entdeckung zu entkommen versuchen, indem ich als Frank Sorge wieder in die Heimat einreise. Will ich eigentlich in dieses Land, und will ich wieder raus, wenn ich einmal drin bin?
Die Prozedur ist erträglich und dauert nicht allzu lang, bis die ganze Busbesatzung geprüft ist. An etwa zehn Kabinen werden Fingerabdrücke genommen, Augen gescannt, DNA-Proben geschüttelt, Stimmmuster verglichen, Verhöre geführt. Wir gruseln uns aber sehr, als uns ein Mitarbeiter auffällt, der die ganze Zeit über unauffällig die Trennscheiben der Kabinen putzt. Er ist hager, und hat einen stieren Blick durch dicke Brillengläser, er lässt seinen Blick überall hin schweifen, während er die Scheiben säubert. Die sind es längst, in diesem Gewusel von Menschen fällt er uns aber als der einzige auf, der den Überblick behält. Er sieht wie wie der klassische Psychopath im Hollywood-Film aus, ein Freak, der jeden Moment unkontrollierbar wird. Kaum einer achtet auf ihn, aber er achtet auf uns alle, während er unaufällig die Scheiben putzt.
Zwei Möglichkeiten: Entweder er ist der Depp vom Dienst, und zu nichts anderem zu gebrauchen. Ein Honk, der wieder irgendwas Dummes gemacht hat, Einreisenden die Nase abzubeissen etwa, und jetzt dafür die Scheiben putzen muss. Oder er ist telepathisch begabter Spezialagent, der während vermeintlich beiläufiger Reinigungsarbeiten unsere innersten Motivationen ausleuchtet.
Plötzlich sieht er mich scharf an, und ich erschrecke vor diesem kalten, brutalen Blick. “Ich bin nicht Edward Snowden”, denke ich ganz bewußt, “war nur ein Scherz.”

~#~#~#~#~#~#~#~#
Donnerstag, 29.8. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)

BRAUSEBOYS POLITWOCHEN vom 29.8.-19.9.
Die Vorleseshow im Wedding mit Paul Bokowski, Hinark Husen, Frank Sorge, Robert Rescue, Volker Surmann und Heiko Werning feiert Spezial-Themenwochen zur Bundestagswahl. Jeden Donnerstag bis zur Wahl zwei politische Gäste - die Weddinger Direktkandidaten stellen sich vor und winden sich aus unseren investigativen Fragen. Zum Brauseboys-Kandidatencheck haben die Kandidaten für den Wahlkreis 75 (Mitte/Wedding) von den sechs wichtigsten Parteien fest zugesagt.

Gäste:
Therese Lehnen (Piraten - Direktkandidatin Mitte, Crew65): http://berlin.piratenpartei.de/2013/05/06/therese-lehnen/
Klaus Lederer (Die Linke - Berliner Landesvorsitzender): www.klauslederer.de
Marlen Pelny (ergreift Partei für die Musik): www.marlenpelny.wordpress.com 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer sc...

Heiligabend mit den Brauseboys

Was ich mache, wenn ich nicht den Newsletter schreibe 1.) Eine Strichliste anlegen, wie oft ich das Wort Blitzeis im Radio höre. Überlegen, wie ich mit den Varianten "Blitzendes Eis", "Blitzkrieg", "Blitzer" und "geblitzt wird" umgehen soll. 2.) Pfefferkörner kaufen und in die Pfeffermühle bis zum Rand einkullern lassen, dann eine Brötchenhälfte mit Kassler und Käse belegen und mit Pfefferschrot schwärzen. Mich am frischen Duft der zerrissenen Splitter berauschen. 3.) Aus dem Fenster sehen. Auf der verbliebenen Schneedecke im Hof ist ein Vogel herumgelaufen, offenbar von schwerer innerer Verwirrung betroffen hat er stundenlang in vielfältigen Kreisen sein verstörendes Schneegemälde gemalt. 4.) Zeitung lesen und über Kopenhagen informieren. Der sudanesische Sprecher und "Bremser" heißt Lumumba Stanislaus Di-Aping. Die Ladezeit der Facebook-Fanseite von Thorsten Schäfer-Gümbel ist enorm. Er sagt: "Dem Schneckentempo...

Brauseboys am 3.10. (20 Uhr) mit Michael Bittner und Ivo Smolak

Ungewöhnlich (von Frank Sorge)   Fast 2 Uhr nachts, beim Steuerberater im Hinterhaus brennt noch Licht. Ungewöhnlich, so spät nach Feierabend, aber ich denke, ich weiß warum. Irgendwann muss ja ein Steuerberater auch mal seine eigene Steuererklärung machen. Brauseboys am Donnerstag, 3.10. (20 Uhr) mit Michael Bittner und Ivo Smolak   Haus der Sinne (Ystader Str. 10)   Es ist Tag der Einheit, es wird also ein wenig feierlicher am Donnerstag bei uns zugehen. Vielleicht machen wir mal eine Kerze an, oder eine mehr, als ohnehin immer an sind. Übertreiben muss man es mit dem Feiern nicht, zumal wenn man sich gar nicht so einig ist im Moment. Da wächst man drei Jahrzehnte zusammen und dann sowas, das muss die nächsten drei Jahrzehnte aber besser werden. Dann lassen wir auch wieder die Sektkorken knallen, wie damals an der Sektorengrenze, versprochen! Bis dahin müssen wir uns leider erstmal herbstlich einstimmen, also frieren, schaudern, sorgenvoll auf den Winter schauen. Oder ...