Doch, früher
war manches besser. So musste ich gerade einige Minuten in einer
Kassenschlange stehen, in der ein Irrer hinter mir die ganze Zeit in
sein Headset redete. An sich ein erträgliches Übel, man hat sich daran
gewöhnt, obwohl es in diesem Fall sehr laut und aufdringlich war und
nicht nur mich, sondern sämtliche Menschen an den drei vollen
Kassenschlangen beschäftigte. Vor mir standen zwei Asiatinnen, die
offenbar dem Inhalt nicht folgen konnten und nur über die Lautstärke des
Salms irritiert waren. Wie sehr beneidete ich sie mit jeder Minute und
hätte sofort einem kurzfristigen Seelentausch zugestimmt.
Zuerst schien es, als rede er mit dem Vorstand eines Dax-Unternehmens,
in glühenden Worten wurden da Entscheidungen kritisiert, Positionen
gefordert und Tatkraft angemahnt. Dann fielen die Worte Heiliger Geist
und Predigt und Bibelkreis, und rundherum war es hier im Weddinger
Supermarkt auch mit dem letzten Rest Neugierde auf das öffentliche
Telefonat vorbei. Das kritisierte Unternehmen hieß Erika, und der
Freisprechprediger wusch ihr den Kopf mit einer Bankrotterklärung, einem
Shitstorm, einem Salm aus gesprochener Salzsäure, wie ich ihn hier nicht
auführen kann. Arme Erika. Dachten alle. Mit schnellen Schritten verließ
ich den Ort und trat auf die Straße. Hier hatten einmal Telefonzellen
gestanden, früher ist doch manches besser gewesen.
Donnerstag, 26.4. /20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)
Die Brauseboys
Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, jeden Donnerstag mit neuen Texten.
Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann,
Heiko Werning und Gäste lesen was vor.
Gäste:
Sascha Nikolic (Kreuzbergs goldene Stimme): www.nikolic-berlin.de
Christoph Theußl (Ex-Weddinger Österreicher): www.theussl.de
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