Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 26.4.: Arme Erika


Doch, früher 

war manches besser. So musste ich gerade einige Minuten in einer Kassenschlange stehen, in der ein Irrer hinter mir die ganze Zeit in sein Headset redete. An sich ein erträgliches Übel, man hat sich daran gewöhnt, obwohl es in diesem Fall sehr laut und aufdringlich war und nicht nur mich, sondern sämtliche Menschen an den drei vollen Kassenschlangen beschäftigte. Vor mir standen zwei Asiatinnen, die offenbar dem Inhalt nicht folgen konnten und nur über die Lautstärke des Salms irritiert waren. Wie sehr beneidete ich sie mit jeder Minute und hätte sofort einem kurzfristigen Seelentausch zugestimmt. 
Zuerst schien es, als rede er mit dem Vorstand eines Dax-Unternehmens, in glühenden Worten wurden da Entscheidungen kritisiert, Positionen gefordert und Tatkraft angemahnt. Dann fielen die Worte Heiliger Geist und Predigt und Bibelkreis, und rundherum war es hier im Weddinger Supermarkt auch mit dem letzten Rest Neugierde auf das öffentliche Telefonat vorbei. Das kritisierte Unternehmen hieß Erika, und der Freisprechprediger wusch ihr den Kopf mit einer Bankrotterklärung, einem Shitstorm, einem Salm aus gesprochener Salzsäure, wie ich ihn hier nicht auführen kann. Arme Erika. Dachten alle. Mit schnellen Schritten verließ ich den Ort und trat auf die Straße. Hier hatten einmal Telefonzellen gestanden, früher ist doch manches besser gewesen. 

~#~#~#~#~#~#~#~# 
Donnerstag, 26.4. /20.30 Uhr 
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe) 

Die Brauseboys 
Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, jeden Donnerstag mit neuen Texten. Paul Bokowski, Hinark Husen, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann, Heiko Werning und Gäste lesen was vor. 

Gäste: 
Sascha Nikolic (Kreuzbergs goldene Stimme): www.nikolic-berlin.de
Christoph Theußl (Ex-Weddinger Österreicher): www.theussl.de

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer sc...

Brauseboys am 4.7. (20 Uhr) mit Ahne und dem Kreuzmusik-Duo

Zeitstrudel (von Frank Sorge)   Auch im Wedding merkt man, dass die Ferienzeit beginnt. Überall ortsfremde junge Menschen mit Reiserucksäcken, in der Liebenwalder am Hostel heute ein ständiger Strom von Abiturientinnen und Abiturienten aus anderen Bundesländern. Der traditionelle Berlinbesuch zum Schulabschluss, er besteht offenkundig fort.  Als ich spät noch zwei Bier vom Späti hole, kommen sie mir auf dem Rückweg entgegen. Erst gucken sie mich verstohlen an, den wirren Streuner mit den zwei Bierflaschen, vor den leuchtenden Fenstern von Falafelladen und Casino, dann sehen sie hinter mir die kleine Spätkauf-Arena, die sich vor dem Laden draußen um den Fernseher gebildet hat. Denn es ist EM und ein Türkei-Spiel, und wenn es der Öffentlich-Rechtliche Fernsehfunk nicht zeigt, dann macht es der Spätkauf und kein Anwohner und kein Ordnungsamt löst die Arena auf, Ehrensache! Aber es ist lustig, wie die Augen der jungen Berlinbesucher aufgerissen sind. Als würden sie dahinter denke...

Brauseboys am 11.7. (20 Uhr) mit Martin Hyun & Herr Horst

Premium-Service (von Frank Sorge)   Der Paketbote schickt mich mal wieder durch den Kiez, mal dorthin, mal rundherum durchs Dorf und in die Binsen. Jemand hat ganz offenbar nicht den Job, den jemand machen möchte, denn hier im Haus ist eigentlich immer jemand da, im Zweifel ich. Natürlich kann ich ein Klingeln überhören, aber wenn das monatelang nicht vorkommt, und dann plötzlich in Serie, wird der Herr Kommissar stutzig. Wo waren Sie um 13:47 Uhr am Samstag? Leider steht Aussage gegen Aussage. Die letzte Nuss war hart zu knacken. Die Behauptung, bei der Zustellung wäre etwas schiefgegangen, ein angekündigter nächster Versuch, der nie unternommen wurde, dann in mittlerweile geübter Eigenrecherche und nach mehreren Irrwegen eine mögliche Adresse, wo es hinterlegt war. “Ich hatte etwas Mühe, im Internet herauszufinden, dass mein Paket vermutlich bei Ihnen ist”, sage ich der freundlichen Berlinerin hinter dem Tresen. “Allet klar, ick brauch nur ihr’n Ausweis.” “Bitte! Kam kein Bote, ...