Man kann sich nicht immer auf sein Glück verlassen (von Frank Sorge)
Erkältungen schlagen bei mir aufs Kurzzeitgedächtnis. Gerade bemerkte ich noch vor dem Losgehen, dass es regnete und nahm mir vor, gleich Schirme für den Schulweg mitzunehmen, aber. es fiel mir erst wieder ein, als wir die ersten Meter im Regen dahintrotteten, zu spät für eine Umkehr. Also dachte ich den Tag über, dass ich nachher in jedem Falle einen Schirm mitnehmen sollte, und nahm ihn dann später nicht mit, obwohl es über Stunden geregnet und geschneit hatte, denn in diesem Moment hatte es aufgehört. Ich hatte Hoffnung, dass es so bleiben würde, denn ich bin ein hoffnungsvoller Mensch, aber nachdem ich zwanzig Minuten später aus dem Supermarkt kam, trottete ich wieder im Regen und danach fast eine weitere halbe Stunde. Erkältet war ich ja schon, was sollte passieren?
Als Kanzler würde ich nicht kandidieren, nicht mit Erkältung zumindest. Da würde ich dann vielleicht auch nicht wissen, wo ich vom roten Teppich abbiegen muss. Ich muss mir nicht nach so einem Tag wochenlang in den Zeitungen um die Ohren schlagen lassen, wo ich meinen Schirm vergessen habe. Pleiten, Pech und peinliche Pannen, Rücktrittsforderungen, Häme von Comedians. Der begossene Pudel, Sondersendung.
Wollte ich nicht eigentlich etwas vom Regen erzählen? Doch, dass er im Grunde angenehm war als Kopfdusche. Ich hätte mich schützen können, aber so brachte ich mich doch letztlich um eine Naturerfahrung, wie man sie am heimischen Schreibtisch gar nicht mehr erlebt. Vom Lärm des Regens wollte ich auch erzählen, der im Innenhof widerhallte und pladderte wie Applaus einer vollen Arena. In diesem Lärm hörte ich plötzlich ein melodisches Zwitschern und schob es gleich auf die Erkältung, aber es war keine Halluzination, da zwitscherte ein Vogel sein Liedchen, als wäre grad Frühlingsanfang. Komischer Vogel. Als Mensch hätte er vielleicht in einer Pfütze getanzt und gesungen, daher war ich froh, dass es sich um einen Vogel handelte. Sein Engagement wirkte seltsam deplatziert, aber vielleicht war es auch seine Art, mit dem Unbill der Welt und des Regens umzugehen. Jede verdammte Feder durchnässt, kein Ende in Sicht, aber mit dem Lied wird es besser.
Gleich muss ich nochmal raus, ein Kind zum Sport begleiten, dieses Mal aber denke ich an den Schirm. Man kann sich nicht immer auf sein Glück verlassen.
Brauseboys am Donnerstag, 21.11. (20 Uhr) mit Maik Martschinkowsky & Martin Goldenbaum
(Ystader Str. 10)
Es gibt beruhigende Nachrichten für die Donnerstage der nächsten hundert Jahre, denn mit ziemlicher Gewissheit wird in dieser Zeit kein Asteroid die Erde treffen, der so groß ist, dass er den Wochenrhythmus nachhaltig unterbricht. Das ist doch schon mal was, darauf kann man aufbauen. Asteroidenforscher*innen haben das im Blick, sind weltweit vernetzt und arbeiteten beständig am Schutz der Menschheit. Vielleicht hat von denen jemand Zeit, für das Kanzleramt zu kandidieren und dieses Erfolgskonzept der Asteroidenforschung in andere gesellschaftliche Bereiche zu tragen? Die ein oder andere Partei nimmt vielleicht noch Kandidatenvorschläge entgegen oder besinnt sich, wenn eine Asteroidenforscherin das Feld betritt, wer weiß? Wir wissen, dass wir nie was wirklich wissen, außer das sich unsere Umlaufbahnen jeden Donnerstag im Haus der Sinne kreuzen, diese Woche wieder oben auf der Bühne mit unseren Gästen Maik Martschinkowsky und Martin Goldenbaum.
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