Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 21.1.: Brause auf Blatt

Notizen für ein Väterhilfswerk /2 (von Frank Sorge)

Es ist faszinierend, mit Säuglingen eine Zeit zu erleben, an die man sich selbst nicht erinnern kann. Nicht einmal Bilder und Szenen sind im eigenen Weichspeicher auffindbar. Wenn doch etwas hinterlegt sein sollte, fehlt der Zugriff, oder das Dateiformat ist nicht mehr lesbar. Vermutlich ist alles, woran man sich erinnern könnte, so sehr mit jahrelang nachgerückten Daten überschüttet, dass keine Rekonstruktion möglich ist. Muss ja auch nicht, denke ich, und wiege ein Kind auf dem Schoß. Hier kann man das Vokabelheft des Lebens von Anfang an noch einmal mit durchblättern.

Mobilität - Das erste Vorwärtskrabbeln wird zielstrebig benutzt, um dem Geschwister das Spielzeug wegzunehmen. Willkommen im Dschungel.

Geschlecht - In der Außenwirkung sind die Farbsignale entscheidend. Wir haben eine blaue und eine orangefarbene Decke, die wir bei Spaziergängen und Fahrten zum Zudecken benutzen. Da unterwegs viele Menschen in den Doppelwagen schauen und das Geschlecht raten, kann ich sagen, das Geschlecht des jeweiligen Zwillings hängt zu annähernd 100% an der Farbe der Decke. Dabei ist das Orange fast schon ein Braun.

Lautbildung - Die ersten Silben werden ausprobiert, Ha-De-Da-De und so. Auch andere wichtige Sprachkomponenten werden nicht vernachlässigt. Das 'Pf' lässt sich offenbar am Besten mit Brei im Mund üben, oder beim Trinken, um einen besonders feinen Sprühnebel zu erzeugen. Das Mädchen macht jetzt außerdem ausgedehnte Zombielaute. Zum Glück nur tagsüber. Um nachts in ein Kinderbettchen zu greifen, aus dem derartig kehliges Grollen kommt, bräuchte ich stärkere Nerven.

Spieltrieb - Um das Kind herum liegen diverse, TÜV-geprüfte Vollwertspielzeuge. Die Plastikfolie, in der die Windeln verpackt sind, ist aber interessanter.

~#~#~#~#~#~#~#~#

Donnerstag, 21.1. / 20.30 Uhr
La Luz (Oudenarder Str. 16-20, Osram-Höfe)

Die Brauseboys - frische Texte
Jeden Donnerstag nehmen Paul Bokowski, Robert Rescue, Frank Sorge, Volker Surmann und Heiko Werning ihre frisch geputzten Tastaturen und lassen es klappern. Die empfohlene Wochendosis Lesebühne, seit zwölf Jahren jeden Donnerstag mit illustren Gästen. 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer sc...

Brauseboys am 4.7. (20 Uhr) mit Ahne und dem Kreuzmusik-Duo

Zeitstrudel (von Frank Sorge)   Auch im Wedding merkt man, dass die Ferienzeit beginnt. Überall ortsfremde junge Menschen mit Reiserucksäcken, in der Liebenwalder am Hostel heute ein ständiger Strom von Abiturientinnen und Abiturienten aus anderen Bundesländern. Der traditionelle Berlinbesuch zum Schulabschluss, er besteht offenkundig fort.  Als ich spät noch zwei Bier vom Späti hole, kommen sie mir auf dem Rückweg entgegen. Erst gucken sie mich verstohlen an, den wirren Streuner mit den zwei Bierflaschen, vor den leuchtenden Fenstern von Falafelladen und Casino, dann sehen sie hinter mir die kleine Spätkauf-Arena, die sich vor dem Laden draußen um den Fernseher gebildet hat. Denn es ist EM und ein Türkei-Spiel, und wenn es der Öffentlich-Rechtliche Fernsehfunk nicht zeigt, dann macht es der Spätkauf und kein Anwohner und kein Ordnungsamt löst die Arena auf, Ehrensache! Aber es ist lustig, wie die Augen der jungen Berlinbesucher aufgerissen sind. Als würden sie dahinter denke...

Brauseboys am 11.7. (20 Uhr) mit Martin Hyun & Herr Horst

Premium-Service (von Frank Sorge)   Der Paketbote schickt mich mal wieder durch den Kiez, mal dorthin, mal rundherum durchs Dorf und in die Binsen. Jemand hat ganz offenbar nicht den Job, den jemand machen möchte, denn hier im Haus ist eigentlich immer jemand da, im Zweifel ich. Natürlich kann ich ein Klingeln überhören, aber wenn das monatelang nicht vorkommt, und dann plötzlich in Serie, wird der Herr Kommissar stutzig. Wo waren Sie um 13:47 Uhr am Samstag? Leider steht Aussage gegen Aussage. Die letzte Nuss war hart zu knacken. Die Behauptung, bei der Zustellung wäre etwas schiefgegangen, ein angekündigter nächster Versuch, der nie unternommen wurde, dann in mittlerweile geübter Eigenrecherche und nach mehreren Irrwegen eine mögliche Adresse, wo es hinterlegt war. “Ich hatte etwas Mühe, im Internet herauszufinden, dass mein Paket vermutlich bei Ihnen ist”, sage ich der freundlichen Berlinerin hinter dem Tresen. “Allet klar, ick brauch nur ihr’n Ausweis.” “Bitte! Kam kein Bote, ...