Direkt zum Hauptbereich

Brauseboys am 20.8. in der Kulturfabrik Moabit: Mit Bernadette La Hengst

Heute gibt es Gemüse (von Frank Sorge)

Ich bin ein Freund der Archäologie, denn sie kann auch Fragen nach der Zukunft beantworten. Was bleibt von uns übrig, wenn wir jetzt verschwinden würden? Viel bilden wir uns darauf ein, was wir dem Planeten an Materialien abgerungen haben, im Zeitrahmen von ein paar tausend Jahren ist die Mindesthaltbarkeit von allem aber schon lange abgelaufen. Vor allem Keramik und Glas halten durch, das Horten von Pfandflaschen ist also durchaus anlagesicher weit über das eigene Leben hinaus. Der gute alte Ziegelstein bleibt noch eine Weile, aber Jahrtausend für Jahrtausend legt auch darüber neues Material, bis die Ära der Menschheit auf eine dünne Gesteinsschicht zusammengepresst sein wird. Die ist interessant zusammengesetzt, kann uns aber auch kein Shakespeare-Sonett mehr vorlesen. Was am längsten von uns selbst durchhält, das sind unsere Zähne, denn sie sind schon zu unseren Lebzeiten fast vollständig versteinert. Auf der Suche nach uns wird die Lage dennoch verwirrend sein, denn viel mehr als unsere paar Knochen werden Hühnerknochen die Gesteinsschicht dominieren. Nicht nur leben permanent dreimal so viele Hühner auf dem Planeten wie wir, sie werden immer größer und schwerer und wir essen sie mehrmals pro Jahr in dieser Menge auf. Die Wildvogelmasse wird vom Huhn schon mehrfach übertroffen, vermutlich hinterlassen wir damit mehr Knochen von Dinosauriernachfahren als die Dinosaurier selbst. Ich beschäftige mich gerne mit solchen Fragen, bevor ich nochmal in den Supermarkt gehe, um für das Abendessen einzukaufen. Heute also Gemüse.
~#~#~#~#~#~#~#~#
Donnerstag, 20.8.20 / 20 Uhr
Kulturfabrik Moabit (Windlicht), Lehrter Str. 35

Die Brauseboys - Weddinger Lesebühne in Moabit - Sommer Open Air!



Seit siebzehn Jahren jede Woche neue Texte, Betrachtungen, Musik und belebende Heiterkeit. Jetzt sind auch wirklich alle wieder da, denn so schön wie hier im Windlicht der Kufa ist es eigentlich nirgends. Zur Begrüßung haben wir uns freundlich am Arm geknufft (Splitterbruch), angedeutet umarmt (Prellungen, Atemnot) und zugewunken (Schädel-Hirn-Trauma). Alles voll normal unter uns Buddies, ob jetzt in Wedding oder Moabit, und am Donnerstag ist alles verheilt. Die Sonne jedenfalls bleibt uns gewogen, so strömet herbei in Scharen, denn ihr werdet trotzdem Abstand halten können. Zum sommerlichen Leseprogramm begrüßen wir an diesem Donnerstag außerdem eine Künstlerin mit sonnenähnlicher Strahlkraft. Wir freuen uns auf Bernadette La Hengst.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Brauseboys am 18.7. (20 Uhr) mit Susanne M. Riedel, Uli Hannemann & Josias Ender

Kein Boom in Sicht (von Frank Sorge)   Ich kenne einen Ort in Brandenburg, der einen schönen kleinen Bahnhof hat. Es ist fast das Ende einer Bahnstrecke und viele Menschen wohnen hier nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Strecke verkürzt und der Bahnhof fing an zu überwuchern. Gegenüber war jetzt eine Bushaltestelle, die stündlich eine Anbindung an das neue Ende der Bahnstrecke bot. Wirtschaftlich war das offenbar auch nicht, erst wurden die Busse verkleinert, dann ein 2-Stundentakt daraus gemacht. Es sind mindestens zehn oder fünfzehn Jahre seit der Streckenverkürzung ins Land gegangen, am Sonntag fährt fast kein Bus mehr. Der Bahnhof ist immer noch schön, jetzt vor allem schön verwittert. Die ganze Gegend hat sich kaum verändert in den fast dreißig Jahren, die ich den Ort kenne, mal abgesehen vom großen Logistikcenter und seinen LKWs. Dabei ist es nah an Berlin, wo doch sonst alles boomt. Profitiert hat von der Streckenverkürzung mutmaßlich niemand, es wurde nur immer sc...

Brauseboys am 4.7. (20 Uhr) mit Ahne und dem Kreuzmusik-Duo

Zeitstrudel (von Frank Sorge)   Auch im Wedding merkt man, dass die Ferienzeit beginnt. Überall ortsfremde junge Menschen mit Reiserucksäcken, in der Liebenwalder am Hostel heute ein ständiger Strom von Abiturientinnen und Abiturienten aus anderen Bundesländern. Der traditionelle Berlinbesuch zum Schulabschluss, er besteht offenkundig fort.  Als ich spät noch zwei Bier vom Späti hole, kommen sie mir auf dem Rückweg entgegen. Erst gucken sie mich verstohlen an, den wirren Streuner mit den zwei Bierflaschen, vor den leuchtenden Fenstern von Falafelladen und Casino, dann sehen sie hinter mir die kleine Spätkauf-Arena, die sich vor dem Laden draußen um den Fernseher gebildet hat. Denn es ist EM und ein Türkei-Spiel, und wenn es der Öffentlich-Rechtliche Fernsehfunk nicht zeigt, dann macht es der Spätkauf und kein Anwohner und kein Ordnungsamt löst die Arena auf, Ehrensache! Aber es ist lustig, wie die Augen der jungen Berlinbesucher aufgerissen sind. Als würden sie dahinter denke...

Brauseboys am 11.7. (20 Uhr) mit Martin Hyun & Herr Horst

Premium-Service (von Frank Sorge)   Der Paketbote schickt mich mal wieder durch den Kiez, mal dorthin, mal rundherum durchs Dorf und in die Binsen. Jemand hat ganz offenbar nicht den Job, den jemand machen möchte, denn hier im Haus ist eigentlich immer jemand da, im Zweifel ich. Natürlich kann ich ein Klingeln überhören, aber wenn das monatelang nicht vorkommt, und dann plötzlich in Serie, wird der Herr Kommissar stutzig. Wo waren Sie um 13:47 Uhr am Samstag? Leider steht Aussage gegen Aussage. Die letzte Nuss war hart zu knacken. Die Behauptung, bei der Zustellung wäre etwas schiefgegangen, ein angekündigter nächster Versuch, der nie unternommen wurde, dann in mittlerweile geübter Eigenrecherche und nach mehreren Irrwegen eine mögliche Adresse, wo es hinterlegt war. “Ich hatte etwas Mühe, im Internet herauszufinden, dass mein Paket vermutlich bei Ihnen ist”, sage ich der freundlichen Berlinerin hinter dem Tresen. “Allet klar, ick brauch nur ihr’n Ausweis.” “Bitte! Kam kein Bote, ...